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Ein stockender Leitungsausbau sorgt für Nachbarschaftshilfe zwischen Deutschland und Österreich.

Foto: Reuters

Düsseldorf/Wien - Die deutsche Energiewende weg vom Atomstrom sorgt beim Nachbarn für Probleme bei der Stromversorgung. Gut, dass es die Österreicher gibt. Wie die Zeitung "Die Welt" berichtet, habe der in Bayern tätige, niederländische Netzbetreiber Tennet schon Anfang Dezember auf Kraftwerksreserven in Österreich zurückgreifen müssen. Die deutsche Bundesnetzagentur habe dies auch bestätigt.

Das Paradoxe an der Geschichte: Einen wirklichen Stromengpass gab es in Deutschland gar nicht, Österreich hat dem Nachbarn also nicht wirklich mit Strom ausgeholfen. Wozu dann der ganze Deal? Weil zu viel Strom aus Windkraft im Norden Deutschlands produziert wurde, erklärt Walter Boltz, Vorstand der E-Control gegenüber derStandard.at auf Anfrage. 

Das Sturmtief "Ekkehard" sorgte für ein fast volles Windkraftangebot von rund 20.000 Megawatt in Norddeutschland, das aber wegen fehlender Leitungen nicht nach Süden transportiert werden konnte. So heißt es im "Welt"-Bericht. Erschwerend sei dazugekommen, dass ein Block des Atomkraftwerks Gundremmingen unplanmäßig abgeschaltet war, weil zwei der 784 Brennelemente wegen leichter Defekte ausgetauscht werden mussten. 

Atomausstieg als Hüftschuss

Mit dem Ausstieg aus der Atomkraft - laut Boltz "ein Hüftschuss" - habe man dem Alter nach, und damit vor allem im Süden der Bundesrepublik Kraftwerke abgeschaltet. An und für sich auch kein Problem, weil im Norden des Landes ausreichend Strom, sogar Überschüsse, produziert werden.

Nur, der Leitungsausbau stocke Boltz zufolge in Deutschland. Es gehe nicht wirklich etwas weiter. Und das sorge für gewaltige Probleme, könnte zu echten Engpässen in der Stromversorgung führen. Denn wenn aus dem Norden viel über die Leitungen transportiert wird, müssten im Süden zur Entlastung auch Kraftwerke im Süden eingeschaltet werden. Damit würde man Leitungsüberforderungen vorbeugen können. In Süd-Deutschland gebe es laut Boltz aber zu wenig Kraftwerke, die man so einfach wieder einschalten könnte. Deswegen habe man auf Österreich zurückgegriffen.

Heimische Kraftwerke an

Heimische Netzbetreiber schalteten daher das Kraftwerk Neudorf-Werndorf bei Graz, das zum Verbund gehört und die Kraftwerken Theiß und Korneuburg der EVN ein, die eigentlich außer Betrieb sind, um damit das Netz aus dem Süden über die Grenze auch in Deutschland mit Energie zu speisen, und damit das gesamte Netz zu entlasten. Einer Tennet-Sprecherin zufolge sei dies aber nur eine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Für die österreichischen Netzbetreiber sei das durchaus auch ein lukratives Geschäft, lasse man sich von den Deutschen die Einschaltung des Kraftwerks natürlich bezahlen, meint Boltz. Außerdem gebe es natürlich auch ein Interesse Österreichs an einer problemlosen Stromversorgung in Deutschland.

Der Leitungsausbau sei übrigens auch in Österreich kein Leichtes, so der E-Control-Vorstand. Mittlerweile habe man aber wenigstens ein paar Leitungen zusammengebracht, was ein ähnliches Problem wie in Deutschland weitgehend verhindern sollte. (rom, Reuters, derStandard.at, 5.1.2011)