Was tut ein autoritärer Machtmensch mit einem Hang zum Größenwahn, wenn er von außen massiv unter Druck gerät? Er bunkert sich ein und versucht, sich und seinen Machtbereich von allen externen Abhängigkeiten zu lösen.

Im Fall des ungarischen Premiers Viktor Orbán, der sein Land derzeit in eine gefährliche Finanzkrise steuert, würde das eines bedeuten: Orban geht den Weg Argentiniens von 2002, erklärt den Staatsbankrott und verweigert die Bedienung der ungarischen Auslandsschulden.

Noch ist dieses Szenario nicht wirklich wahrscheinlich. Aber auszuschließen ist es nicht. Denn Orbán ist auf einem Kollisionskurs mit dem Internationalen Währungsfonds und der EU, die dem Land weitere Hilfskredite verweigern.

Von den privaten Finanzmärkten erhält das Land kein Geld mehr zu verkraftbaren Konditionen, die letzten Auktionen mussten abgesagt werden.

Nur ein ernsthaftes Einlenken der ungarischen Regierung vor allem bei der Frage der Unabhängigkeit seiner Notenbank würde die dringend benötigten Hilfen derzeit freimachen. Doch dies entspricht nicht Orbáns Stil, Charakter und seiner bisherigen Politik. 

Für einen notorischen Spieler ist der Staatsbankrott im Vergleich eine attraktive Option.

Man kann sich Orbáns pathetische Rechtfertigung schon gut ausmalen:

Die Schulden wurden von früheren  verbrecherischen kommunistischen und sozialistischen Regierungen aufgenommen, weshalb eine wahrhaft nationale Führung wie seine dafür nicht verantwortlich ist. (Dass auch Orbáns Fidesz schon in den neunziger Jahren vier Jahre regiert und Schulden gemacht hat, wird er dabei wohl verschweigen).

Wichtiger als die Interessen ausländischer Finanziers und Spekulanten sind die des ungarischen Volkes. Und da Ungarn immer schon ein christliches Bollwerk gegen die Barbarei – ob gegen die Türken oder die Kommunisten – war, sollte Europa an seiner Seite stehen. Wenn es das nicht tut, muss Ungarn selbst für sein Überleben sorgen.

Rund Fünf Milliarden Euro muss Ungarn heuer an private Investoren und den IWF zurückzahlen. Ohne diesen Aderlass wären die Staatsfinanzen in einem ganz guten Zustand. Für einen Mann wie Orbán ist dieser Weg verlockend – verlockender als zu Kreuze zu kriechen.

Gleichzeitig müsste Ungarn wahrscheinlich Kapitalkontrollen einführen, um eine weitere Flucht aus dem Forint zu verhindern. Einen Rückzug der ausländischen, vor allem österreichischen Banken, ließe sich durch eine Zwangsverstaatlichung verhindern.  

Das verstieße zwar alles eklatant gegen EU-Recht, aber in der Logik eines nationalen Überlebenskampfes wäre auch dies zu rechtfertigen.

Zwar wäre das Land sofort von allen ausländischen Kapitalquellen abgeschnitten, aber das macht sich erst später bemerkbar. Im Moment wäre Ungarn besser dran.

Nach der Insolvenz könnte Ungarn, so wie einst Argentinien, den Investoren großzügig eine kleinere Summe anbieten – in der Erwartung, dass sie dies akzeptieren und später sogar neue Kredite geben.

Auch wenn Orbán diesen Kurs nicht tatsächlich einschlagen will, so könnte er dennoch damit drohen, um sich Hilfe vom IWF und der EU zu erpressen. Es wäre schlimm, wenn sich die internationalen Institutionen darauf einlassen würden.  Lieber sollen sie Ungarn den Weg in die nationale Autarkie gehen – und den Preis dafür bezahlen lassen.

Und dieser müsste der sofortige Ausschluss aus der EU sein – wie immer dies rechtlich dann umsetzbar wäre. Denn das Ungarn, das Orbán derzeit kreiert, gehört nicht ins moderne Europa.

P.S. Ein solches Szenario ist keine verlässliche Prognose, aber ein Gedankenexperiment mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit.  Meine Erwartung, dass die neue griechische Regierung aus dem Euro aussteigt, ist bekanntlich nicht eingetroffen. Aber dass in Athen selbst der Zentralbankchef offen darüber nachdenkt, zeigt, dass diese Entwicklung sehr wohl im Bereich der realistischen Möglichkeiten bleibt.