Frankfurt - Die Banken trauen einander weiter nicht über den Weg: Die Kreditinstitute haben mehr Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) gebunkert als jemals zuvor. Auf 453,2 Milliarden Euro schwoll das Volumen im virtuellen Nachttresor der Notenbank an. "Die Angstkasse bleibt voll und wird vermutlich noch voller", fasste ein Händler am Mittwoch zusammen.

Seitdem die EZB kurz vor Weihnachten den Geldhäusern für drei Jahre die gigantische Summe von beinahe einer halben Billion Euro zu einem Zinssatz von einem Prozent zur Verfügung gestellt hat, schwimmen die Banken im Geld. Anstatt es untereinander zu verleihen, legen sie es lieber bei der EZB auf die hohe Kante - auch wenn sie dafür gerade einmal 0,25 Prozent Zinsen bekommen. Zugleich müssen sich einige Banken bei der EZB teuer Geld besorgen.

"Wir haben im Bankensystem eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: die einen wissen nicht wohin mit ihrem Geld und die anderen hängen am Tropf der EZB", erklärte ein Händler. Letztere haben sich in den vergangenen Wochen immer wieder bei der Zentralbank über Nacht Geld leihen müssen - ein teueres Vergnügen, denn die EZB nimmt für diese Notleihe 1,75 Prozent Zinsen. Zum Vergleich: bei den wöchentlichen Refinanzierungsgeschäften verlangt die Notenbank den Leitzins von 1,0 Prozent.

Notleihe

Über die Notleihe - auf Notenbank-Deutsch: Spitzenrefinanzierungsfazilität - haben sich Banken seit Ende 2011 gut über zehn Milliarden Euro geliehen. Per Dienstagabend betrug das Volumen laut EZB rund 15 Milliarden Euro. Schon in den Wochen zuvor war es mit häufig über fünf Milliarden Euro ungewöhnlich hoch gewesen. Denn normalerweise nehmen die Banken dieses Instrument kaum in Anspruch. "Gerade über den langen Zeitraum betrachtet, erscheint das hohe Volumen unplausibel", erklärte ein Händler.

Einige Experten vermuten, dass die Umstrukturierung einer Großbank die Feinsteuerung der Refinanzierung über die tägliche Ausleihe nötig macht. Andere bezweifeln das aber. Möglicherweise habe eine Bank nicht die notwendigen längerfristigen Sicherheiten für die Geld-Order über das wöchentliche Refinanzierungsgeschäft und müsse daher Tag für Tag den Bedarf steuern, hieß es bei mehreren Banken. Welche Bank oder Banken letztlich hinter der Entwicklung stecken, dürfte die EZB wie ein Staatsgeheimnis hüten. Denn nur sie weiß, was die Ursache für die Probleme sind.

Abzuwarten bleibt laut Händlern nun, ob die Banken im Jahresverlauf die ihnen von der EZB zugeteilte zusätzliche Liquidität weitergeben werden. Einige vermuten, dass das Volumen in der "Angstkasse" - auf Notenbank-Deutsch: Einlagefazilität - zunächst mal noch weiter steigen wird. Denn bei ihrer letzten Ratssitzung hatte die EZB die Senkung der Mindestreservequote auf ein von derzeit zwei Prozent beschlossen. Die Mindestreserve ist der Teil der Kundeneinlagen, den Banken bei der Notenbank hinterlegen müssen. Diese Maßnahme tritt am 18. Januar in Kraft und dürfte nach Schätzungen von Analysten den Banken zusätzlich rund 100 Milliarden Euro bringen.

Damit und den längerlaufenden Refinanzierungs-Geschäften über bis zu drei Jahre wollte die EZB den Banken Luft verschaffen. Viele Analysten hatten gehofft, dass die höhere Planungssicherheit den Geldhäusern Spielraum für den Kauf beispielsweise von Staatsanleihen gibt. (APA/Reuters)