Unterschriftenlisten im ORF gegen "Erfüllung parteipolitischer Wünsche", die Ansehen und Unabhängigkeit des ORF beschädige.

Foto: ORF

Wien - "Wie groß der Unmut unter den ORF-Journalistinnen ist", sollen ihre Unterschriften Alexander Wrabetz und der Öffentlichkeit klarmachen. Dienstag appellierte der Redakteursrat noch einmal an die Kollegen, die Listen mit dem Plädoyer "für einen unabhängigen ORF" bis 10. Jänner zu komplettieren. Bisher mit einigem Erfolg, schreibt Vorsitzender Fritz Wendl: In einigen ORF-Redaktionen hätten schon "fast alle" Journalisten unterschrieben.

Für Montag, den 9. Jänner, lud der Redakteursrat den ORF-General und die neue TV-Direktorin KathrinZechner zur Aussprache mit den Journalisten. Anlass war Wrabetz' Aussendung, der bisherige SP-Fraktionschef im Stiftungsrat, Niko Pelinka, werde sein Büroleiter. Erst eine Woche danach wurde der Job ausgeschrieben. Redakteurs- und Betriebsrat prüfen "Maßnahmen" dagegen.

Betriebsratschef Gerhard Moser nennt den Unmut der Belegschaft "riesig". Er erwarte, dass Wrabetz alle knapp vor Weihnachten verkündeten Bestellungen, "die keinerlei rechtliche Rückendeckung haben" zurücknehme. Pelinka sei "jener berühmte und dicke Tropfen, der das Fass einer unverständlichen ORF-Personalpolitik zum Überlaufen gebracht hat.

Offenkundig auch bei Ex-ORF-General Gerd Bacher, Exmoderator Peter Huemer ("SOS ORF") und André Heller. Sie lassen Juristen eine Publikumsbeschwerde bei der Medienbehörde prüfen, erklärte Huemer der Presse: Pelinkas Bestellung verletze die vom Gesetz vorgeschriebene Unabhängigkeit des ORF. Steuerrechtler Werner Doralt hegt dort den Verdacht der Abgabenverkürzung, wenn Pelinka als Journalist eingestuft sei, aber lautWrabetz nicht journalistisch arbeite.

ORF-Generalsekretär unter Bacher war Kurt Bergmann, davor und danach ÖVP-Politiker.

André Heller hoffte im Gespräch mit dem Standard zur ORF-Entwicklung auf einen "elektronischen Tahrir", eine Anspielung auf die ägyptischen Revolution von 2011.

Pelinka beschäftigt als Symbol für Parteienzugriff auch internationale Medien. Für Die Welt etwa läuft in Österreich die "kunstvollen Verquickung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Parteipolitik noch weitaus fluffiger ab als in Deutschland". Den Österreichern fehle aber der Glaube an ein Wunder, dass eine Debatte wie diese "eine größere Dynamik entwickelt und den ORF eines Tages grundlegend verändert". Die Süddeutsche verglich roten Zugriff mit dem Versuch der ÖVP vor 2006, "den Sender gleichzuschalten". (fid, APA/DER STANDARD; Printausgabe, 4.1.2012)