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Das Office of War Information: Ab 1943 gab es hier einen "Austrian Desk", wo eine illustre Gruppe von Exil-Österreichern Propagandamaterial produzierte.

Foto: Corbis

Eine Karikatur von Oliver von Schneditz-Rockhill, der wie viele andere Künstler und Intellektuelle sein Talent in den Dienst des US-Geheimdienstes stellte.

Foto: Familie Mayrhofer-Grühnbühl / Schneditz

Einige hundert von ihnen arbeiteten für amerikanische Geheimdienste als Produzenten "schwarzer" oder "weißer" Propaganda – Ein Grazer Historiker sucht ihre Spuren.

Erotische "Fun"-Bilder erfreuten sich besonderer Beliebtheit unter den deutschen und österreichischen Frontsoldaten: etwa jene Zeichnung von zwei deutschen (Ehe-)Frauen in eindeutig homoerotischer Pose mit dem Bildtext "Neue Gewohnheiten in der Heimat (Der Mann ist ja im Felde)"- ein Produkt aus amerikanischen Propagandawerkstätten.

Noch provokanter war etwa die Darstellung eines NS-Parteibonzen mit erigiertem Geschlechtsteil, der kurz vor der Vergewaltigung der Frau eines Soldaten noch den Hitlergruß ausführt – Titel: "Die Partei greift durch". Ziel dieser ebenso drastischen wie psychologisch wohldurchdachten Propagandazeichnungen war es, über die sexuellen Nöte und Fantasien der Soldaten ihre Ängste und Unsicherheiten bezüglich der Vorgänge in der Heimat zu schüren und damit den Kampfgeist zu unterminieren.

Zeichner und Verfasser dieser Bilder, die in Form von zigtausenden Flugblättern hinter den feindlichen Linien verbreitet wurden, war der ehemalige österreichische Medizinstudent und Journalist Eddie Linder. Er flüchtete 1938 infolge des "Anschlusses" an Deutschland aus Wien und gelangte über die französische Fremdenlegion und ein Arbeitslager in der Nordsahara schließlich zum amerikanischen Kriegsgeheimdienst OSS (Office of Strategic Services), einer Vorläuferorganisation der CIA.

Ziel der OSS-Propagandaabteilung war die Demoralisierung des Feindes mit allen verfügbaren Mitteln. "Wie Linder waren hunderte Exil-Österreicher und -Österreicherinnen mit der Produktion von Propaganda in amerikanischen Kriegsinstitutionen betraut", erklärt Florian Traussnig, Mitarbeiter am Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (ACIPSS) an der Uni Graz. Im Rahmen seiner Dissertation am Institut für Geschichte hat Traussnig bereits an die 150 österreichische Flüchtlinge im Sold von verschiedenen US-Propagandaeinrichtungen ausfindig gemacht.

Sex-Cartoons und Popsongs

Einige Dutzend von ihnen standen im Dienst des OSS, das alle Formen "schwarzer" Propaganda produzierte, deren Urheber nicht deklariert oder fingiert wurden. Die Palette reichte von gefälschten Dokumenten und Nachrichten über subversive Sex-Cartoons und Propaganda-Songs bis hin zu Flugblättern. Diese wurden teils in Millionenauflage produziert und von Flugzeugen abgeworfen. In Spezialoperationen wurden auch Wehrmachtsdeserteure unter falschem Namen mit Propagandamaterial zu ihren Truppen zurückgeschickt.

Populäre Melodien wurden mit demoralisierenden Texten unterlegt, die oft sehr subtil pessimistische Inhalte in die Gedankenwelt deutscher Soldaten einzuschmuggeln versuchten. Ein vom geflüchteten österreichischen Kabarettisten Lothar Metzl umgearbeiteter Text des amerikanischen Popsongs No love, no nothin' ging so: "Es hält ihr Wort ein jedes Mädchen aus Liebe für den Mann. Doch fragt sich heute ein jedes Mädchen, wie lang sie treu sein kann."

Unter den österreichischen OSS-Mitarbeitern befand sich auch der Kärntner Aristokratensohn Oliver von Schneditz-Rockhill, dessen Kriegsgeschichte wie ein Hollywooddrehbuch anmutet: Wie Eddie Linder war der Grafiker bei der französischen Fremdenlegion, dann im algerischen Zwangsarbeitslager - pikanterweise zur selben Zeit, als sich auch sein Vater als deutscher Offizier in Nordafrika aufhielt. Vergeblich versuchte dieser den Sohn zur Aufgabe seines antifaschistischen Widerstands zu überreden. Nach Kriegsende wurde Gilbert von Schneditz als "führender Nazi" verhaftet und erst durch die Intervention seines "abtrünnigen" Sohnes wieder entlassen.

Anders als das oft sehr aggressiv agierende OSS produzierte das Office of War Information (OWI) sogenannte "weiße", also offen verbreitete Propaganda. In der Rundfunkabteilung dieser vor allem mit der positiven Selbstdarstellung der USA nach außen befassten Einrichtung gab es ab 1943 einen eigenen "Austrian Desk". "In der Moskauer Deklaration wurde Österreich 1943 als erstes Opfer Hitlerdeutschlands bezeichnet", sagt Florian Traussnig. "Das nutzten die Amerikaner, um die von ihnen immer wieder beobachteten latenten Ressentiments der Österreicher gegen die Deutschen gezielt zu schüren und damit zur Destabilisierung des NS-Regimes beizutragen."

So wurden von der Österreicher-Truppe am OWI zum Beispiel kabarettistische Radiosendungen produziert, die über alliierte "Feindsender" von den österreichischen Frontsoldaten und Zivilisten gehört werden konnten. Die Radiomacher waren eine schillernde Gruppe von Exil-Österreichern, die nicht nur für zum Teil sehr hochwertige Kabarettprogramme sorgten, sondern auch für zahlreiche Anekdoten. Es waren Sozialisten, Kommunisten, Monarchisten und sogar Austrofaschisten darunter, Journalisten, Schriftsteller, Grafiker, Kabarettisten und Intellektuelle – eine heterogene und zerstrittene Arbeitsgemeinschaft, deren Gemeinsamkeiten sich auf die Ablehnung des Nationalsozialismus und eine gewisse kreative Eignung für Propagandatätigkeiten beschränkte.

Polgar, Torberg, Farkas

Zu dieser illustren Gruppe gehörten zur selben Zeit etwa Julius Deutsch, einer der einflussreichsten Sozialdemokraten Österreichs in der Zwischenkriegszeit, und der als Pianist und Sprecher eingesetzte Friedrich Bock, ein der austrofaschistischen Vaterländischen Front nahestehender Exilant. Zwar keine offiziellen Mitarbeiter, aber wichtige Impulsgeber des "Austrian Desk" im OWI waren auch der bekannte Feuilletonist Alfred Polgar und der Komponist und Kabarettist Hermann Leopoldi, der immer wieder Manuskripte und Arrangements beisteuerte. Der 1940 in die USA emigrierte Schriftsteller Friedrich Torberg wiederum war als Redakteur im OWI sowie für die US-Armee und das OSS tätig.

Auch der im Nachkriegs-Österreich als Kabarettist sehr bekannt gewordene Karl Farkas hat in OWI-finanzierten Propagandasendungen mitgewirkt. "Er war übrigens einer der ganz wenigen Personen aus diesem hochkarätigen Kreis, die nach dem Krieg in Österreich wieder Fuß fassen konnten und wollten", sagt Traussnig. Auch wenn sich die Wirksamkeit dieser Propaganda vermutlich in Grenzen gehalten hat - "ihre Produzenten haben wie die tausenden österreichischen Soldaten in der US-Armee einen zumindest symbolischen Beitrag im Kampf gegen den Nationalsozialismus geleistet", sagt Florian Traussnig. "Das wurde bislang viel zu wenig beachtet." (DER STANDARD, Printausgabe, 04.01.2012)