Ob ein Bus oder Zug für Pendler kommt, der auch in kleinen Ortschaften halt macht, hängt vor allem von der Höhe der Steuergelder ab, die dafür zur Verfügung gestellt werden.

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Wien - Beim öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr (ÖPNRV) ruhen die Hoffnungen auf Brüssel. Die EU-Kommission dürfte das völlig undurchschaubare System der Finanzierung früher oder später so richtig aufmischen. Denn mit der EU-Richtlinie betreffend Public Service Obligations (PSO) ist das über die Jahrzehnte gewachsene System der Öffi-Finanzierung in Österreich nur eingeschränkt kompatibel.

Das liegt an dem in höchstem Maße diversifizierten Markt des öffentlichen Verkehrs, in dem Konzessionen für Linienbusse nicht automatisch ausgeschrieben werden. Die PSO sieht aber grundsätzlich Ausschreibungen vor, wenn Dienstleistungen mit öffentlichen Geldern finanziert werden. Auch das Bundesvergabegesetz sieht Wettbewerb bei der Konzessionsvergabe vor, die laut Kraftfahrliniengesetz für je zehn Jahre vergeben werden. Um den Streit zu schlichten - die meisten Verkehrsverbünde wollen die Leistungen ausschreiben - wurde der Verwaltungsgerichtshof eingeschaltet. Er muss entscheiden, welches Recht stärker ist: Das Vergaberecht oder die Familienförderung, die über den Familienlastenausgleichsfonds als Subjektförderung angelegt ist und somit nicht die Erbringung von Öffi-Kilometern fördert, sondern die Fahrt eines Schülers oder Lehrlings in die Schule oder den Lehrbetrieb.

Faktum ist, dass sich der österreichische Föderalismus im Öffentlichen Verkehr in besonders ausgeprägter Form zeigt. Weder gibt es eine Körperschaft in der Republik, die für sämtliche Verkehrsdiensteangebote, deren Koordination und Förderzusagen zuständig ist, noch gibt es eine Stelle, die für die Auszahlung der Gelder in Milliardenhöhe verantwortlich zeichnet. Das macht den Sektor Nahverkehr zu einer Art Blackbox, in die Bund, Länder und Gemeinden jährlich hunderte Millionen hineinschütten. Und das Ergebnis sind regional völlig unterschiedliche Produkte und Leistungen.

Wie viel Geld bei diesem überschaubar effizienten System insgesamt draufgeht, ist kaum zu eruieren. Denn neben dem Bund, der Buslinien, Bahnverkehre, Schüler- und Lehrlingsfreifahrten über zwei Schienen finanziert, zahlen auch die Länder für ein Parallelsystem: Einmal über die dem jeweiligen Bundesland unterstellten Verkehrsverbünde und einmal über Direktzahlungen an einzelne Verkehrsträger. Eine Gesamtaufstellung über das Dickicht der Steuergeldflüsse gibt es nicht, denn nicht alle Gebietskörperschaften legen regelmäßig und aussagekräftig Rechenschaft.

Relativ klar und nachvollziehbar ist der Subventionsverlauf noch beim ÖBB-Personenverkehr. Er bekam 2010 laut Jahresabschluss 567,8 Mio. Euro für Tarifstützungen (Monats- und Wochenkarten, Sozialtarife) und unrentable Bahnlinien. Abgesehen davon, dass das Verkehrsministerium diese gemeinwirtschaftlichen Zahlungen an die Bahn für denselben Zeitraum nur mit 553 Millionen Euro beziffert: Darüber hinaus bekommt die Bundesbahn von Ländern und Gemeinden weitere 128,8 Mio. Euro für Nah- und Regionalverkehr.

Nicht inkludiert darin sind die Zahlungen des Familienlastenausgleichsfonds für Schüler- und Lehrlingsfreifahrten. Aus diesem Titel lukrierte die Bahn im Vorjahr rund 33 Millionen Euro (siehe Grafik). Sie werden von der Staatsbahn nicht extra ausgewiesen, sondern sind originellerweise in deren "Tariferträgen" inkludiert. Rechnete man die FLAF-finanzierten Freifahrten heraus, waren 2010 im Personenverkehr die "Markterlöse aus Personen- und Gepäckverkehr" (584,9 Mio. Euro) niedriger als die Zuschüsse für gemeinwirtschaftliche Leistungsaufträge (GWL) des Verkehrsministeriums.

Nicht inkludiert in den Subventionen von Bund, Ländern und Gemeinden sind auch die Kosten, die der ÖBB-Postbus für unrentable Fahrten ersetzt bekommt: Das sind 110 Mio. Euro für Schüler-/Lehrlingsfreifahrten und rund 130 Mio. Euro für "bestellten Linienverkehr" in den Regionen.

Divergierend sind auch die Angaben über die Ausgaben des - überwiegend aus Dienstgeberbeiträgen gespeisten und notorisch unterfinanzierten - Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) für Verkehrsleistungen. Während die Arbeiterkammer diese Aufwendungen im Jahr 2010 mit 417 Millionen Euro errechnet hat, beziffert das dafür zuständige Wirtschaftsministerium diese mit rund 388 Millionen Euro. Die Differenz liegt möglicherweise in den Abrechnungszeiträumen. Denn Entgelte für Schüler- und Lehrlingsfreifahrten werden nach Schuljahren abgegolten, nicht nach Kalenderjahren. Verteilt wird das FLAF-Geld direkt an die Verkehrsträger basierend auf deren "Haustarifen". Um Schülern und Lehrlingen die freie Verkehrsmittelwahl zu ermöglichen, wird das Procedere aber immerhin mit den Verkehrsverbünden abgestimmt und abgerechnet.

Immerhin: Die dabei verwendeten Tarife variieren zwar je nach Verkehrsverbund, gelten aber für alle Verkehrsunternehmen im jeweiligen Verbundgebiet in gleicher Höhe. Geblockt nach Streckenlänge werden je Schüler und Schulwoche zwischen sechs und 27 Euro verrechnet. Was Länder und Gemeinden für Nahverkehr in Summe ausgeben, wissen die neun Verkehrsverbünde übrigens nicht - obwohl sie den Ländern gehören. Um die Effizienz zu heben, drängen sie auf Linienausschreibungen. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.1.2012)