Dagmar Graber studierte Chemie an der Uni Innsbruck.

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In der Proteinfabrik der Zelle, dem Ribosom, werden in einer Sekunde zwischen 15 und 20 Aminosäuren zu einer funktionellen Eiweißkette verbunden. Die Transfer-Ribonukleinsäure (tRNA) liefert die Bausteine für die Proteinbiosynthese an.

Um diesen rasanten Vorgang im Detail studieren zu können, müsste er in Zeitlupe ablaufen. Dagmar Graber hat in ihrer Dissertation eine Möglichkeit entwickelt, um den Ablauf für einen "Schnappschuss" zu stoppen: "Dies ist möglich, indem man ein tRNA-Substrat mit einer stabilen Bindung zur Aminosäure herstellt. Dadurch kann diese Aminosäure nicht mehr abgegeben werden, und der ganze Prozess wird an einer definierten Position angehalten. Dieser Zustand kann dann mit unterschiedlichen Methoden untersucht werden."

Für ihr Konzept, nämlich die natürliche tRNA durch enzymatische und chemische Methoden dahingehend zu verändern, erhielt die Chemikerin 2011 den Georg-und-Christine-Sosnovsky-Preis für vielversprechende Nachwuchsforscher und den Karl-Schlögl-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Dagmar Graber studierte Chemie an der Universität Innsbruck mit den Schwerpunkten Organische Chemie und Molekulare Genetik. Schon ihre Diplomarbeit verfasste sie in der Arbeitsgruppe von Ronald Micura. Dort werden biologische Fragestellungen bearbeitet, bei denen Nukleinsäuren (DNA und RNA) eine wichtige Rolle spielen.

Der Chemie sind mitunter Grenzen gesetzt, wenn es darum geht komplexe natürliche Moleküle nachzubauen oder zu verändern. Also macht sich die 31-jährige Südtirolerin aus Olang biochemische Methoden zunutze und modifiziert komplexe Moleküle gezielt mit Enzymen. Der Chemikerin gefällt die Möglichkeit, "biologische Prozesse mithilfe chemischer und enzymatischer Methoden so zu manipulieren, dass ihre Abläufe im Detail untersucht werden können". Derzeit arbeitet sie mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austausch-Dienstes (DAAD) für qualifizierte Nachwuchswissenschafter bei der Roche Diagnostics GmbH, einem der führenden Biotechnologiezentren Europas in der Forschungsgruppe für Peptidchemie: "Hier erhalte ich Einblicke in die Entwicklung von therapeutischen Proteinen. Ziel der Arbeit ist der schnelle Nachweis von Krankheitserregern und die Überprüfung, ob ein spezielles Medikament überhaupt Therapieerfolge erzielen kann."

Obwohl ihr die akademische Forschung liegt, ist auch die betriebliche Forschung für sie seither durchaus eine berufliche Perspektive. Bis August 2012 möchte sie jedenfalls Erfahrungen mit industriellen Forschungsansätzen sammeln. Ihre Position unterscheidet sich nicht grundlegend von einer universitären Postdoc-Stelle. So hat sie zum Beispiel auch bei Roche die Möglichkeit, an vielen Vorträgen von Universitätsprofessoren teilzunehmen und somit auf dem neuesten Stand der Forschung zu bleiben.

In München vermisst sie vor allen Dingen die Berge: "In Innsbruck hatte ich die Nordkette ständig vor Augen und daheim in Südtirol die Dolomiten." Aber München ist zum Glück nicht weit von Tirol entfernt, sodass sie am Wochenende dennoch Bergsteigen, Radfahren oder Klettern gehen kann. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.1.2012)