Hoffen bei der Verehelichung noch auf spätere Liebe: Faringuisse (Maria de Medeiros) und Nasser Ali (Mathieu Amalric).

Foto: Polyfilm

Wien - Ein Mann beschließt zu sterben. Er zieht die dicken Vorhänge zu, legt sich hin und wartet ab. In ein paar Tagen soll ihn so der Tod ereilen. Bis dieser Zeitpunkt kommt, lässt der Mann, Nasser Ali, ein einst weltweit gefeierter Geiger, sein Leben Revue passieren: seine Passion für die Musik und seine große Liebe zu einer Frau namens Iran.

Jeder Tag gehört in Huhn mit Pflaumen einer anderen Erinnerung - dunkel expressionistisch die eigene Schulzeit; die Zukunft der Kinder als Melo und als Soap; der Beginn der Liebe mit Slapstick-Anleihen und ihr später Nachhall in einer großen, schwermütigen Parallelmontage. Die Breitwand-Einstellungen sind stark zentriert, auf die Figuren fokussiert, Großaufnahmen dominieren. Das Außen, Zeiten, Orte, Gesellschaft, Politik bleiben an den Rand gedrängte Schemen.

Die markante Form - und die Stilvariationen - sind wohl der Herkunft des Stoffes als Bildgeschichte geschuldet. Die 1969 in Rasht geborene Filmemacherin und Autorin Marjane Satrapi hat zunächst ihre eigene Kindheit im Iran und ihre Jugend im Exil (erste Station: Wien) im Comic Persepolis verarbeitet. Aus diesem entstand 2007 der gleichnamige abendfüllende Animationsfilm. Als Koregisseur fungierte bereits damals Satrapis Zeichnerkollege Vincent Paronnaud. Auch die zweite Zusammenarbeit basiert auf einem Comic Satrapis. Allerdings hat man sich bei Huhn mit Pflaumen (die Leibspeise des Protagonisten) für eine Adaption als Realfilm entschieden.

In den Hauptrollen agieren der Franzose Mathieu Amalric (mit dickem Schnauz) und die Portugiesin Maria de Medeiros (mit dicker Brille). Weiters gehören die iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani, Serge Avedikian, Chiara Mastroianni, Isabella Rossellini und Christian Friedel (Das weiße Band) zum Cast dieser französisch-deutsch-belgischen Koproduktion.

Sie alle bevölkern eine Erzählung, die mehr das Universelle einer tragischen großen Liebe betont als das spezifisch Iranische: Die allegorische Verquickung der Liebesgeschichte mit dem Land bleibt kaum mehr als eine krude Andeutung. "Teheran im Herbst 1958" ist im Film eine artifizielle und letztliche beliebige Kulissenstadt, ebenso wie die Weichzeichner-Vignetten von Shiraz - der Heimatstadt der geliebten Iran - in den Dreißigerjahren.

Am gelungensten und lebendigsten sind noch jene Szenen, die den quirligen Nachwuchs von Nasser Ali involvieren und seine väterlichen Unzulänglichkeiten sanft karikieren. Seine angeblich so drängenden Leidenschaften (und sein Leiden) sind vergleichsweise schwer nachzuvollziehen. Letztlich spielt Huhn mit Pflaumen in einer papierenen Märchenwelt - in Sepia-Tönen gehalten, durchzogen von Doktor Schiwago -artigen Sehnsuchtsmelodien und bewohnt von eindimensionalen Figuren. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe 4. Dezember 2012)