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Die Körpergröße von Kindern kann als ein sensibler Indikator für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung einer Region herangezogen werden.

Foto: AP/Paul Zinken

Vor kurzem wurde die deutsche Öffentlichkeit von einer Meldung erschreckt, wonach prekäre Arbeitsverhältnisse zu einer niedrigeren Lebenserwartung führen können.

Dass sich Arbeitslosigkeit und sozialer Status der Eltern auch erheblich auf die Körpergröße von Kindern und damit auch auf Lebensqualität und Gesundheit auswirken, konnten nun Jörg Baten von der Universität Tübingen und Andreas Böhm vom Landesgesundheitsamt Brandenburg in einem Forschungsprojekt zeigen.

Forschung an 250.000 Kindern

Die Wissenschaftler untersuchten, inwiefern eine hohe Arbeitslosigkeit in der Region oder eine hohe Abwanderungsrate, das Wachstum von Kindern im Zeitraum 1994 bis 2006 beeinflussten.

Die Daten wurden im Zuge der Einschulung von Erstklässlern erhoben. Dabei konnte nicht nur die Körpergröße, das Alter und das Geschlecht von über 250.000 Kindern dokumentiert werden. Es wurden auch sozioökonomische Daten beispielsweise zum beruflichen Status der Eltern, deren Ausbildungsniveau sowie Anzahl der Kinder und Anzahl der Erwachsenen je Haushalt erfasst.

Dabei betonen die Forscher, dass die Körpergröße als Indikator nur für Durchschnitte einer großen Anzahl von Körpergrößen gilt. Die geringe Körpergröße eines einzelnen Menschen sagt nichts über das Wohlergehen aus, weil es eine breite genetische Streuung gibt.

Psychologischer Stress und Frustration maßgeblich

Anhand der ermittelten Daten zeigen Baten und Böhm, dass die Arbeitslosigkeit der Eltern einen signifikant negativen Einfluss auf die Körpergröße ihrer Kinder hat. Das mit einer Arbeitslosigkeit einhergehende geringere Einkommen scheint jedoch eine weniger bedeutende Rolle zu spielen, als psychologischer Stress und Frustration der Eltern. Diese Faktoren könnten zu einer Vernachlässigung der Kinder bezüglich ihrer Versorgung führen.

Auch die Abwanderungsrate als ein Maß für die wirtschaftlichen Bedingungen eines bestimmten Gebiets wirkt sich negativ auf die Körpergröße der Kinder aus. Da vor allem die gebildetere Bevölkerungsschicht eine Region in der Folge schlechter Bedingungen verlässt, bleiben die weniger Gebildeten zurück. Da Familien mit gebildeten Eltern in der Regel auch mehr Wert auf eine gesunde Ernährung und medizinische Versorgung der Kinder legen, entwickeln sich diese besser und werden größer.

Kein Nachteil bei Alleinerziehern

Von besonderer Bedeutung scheint das Ausbildungsniveau der Mutter zu sein, da sich diese in der Regel an erster Stelle um Belange wie Ernährung und Versorgung der Kinder kümmert. Die Autoren stellen jedoch fest, dass Kinder von Alleinerziehenden bezüglich ihrer Körpergröße keinen Nachteil gegenüber Kindern aus Familien mit zwei Elternteilen aufweisen.

Ein positiver Einfluss auf die Größe der Kinder zeigt sich allerdings, sobald drei oder mehr Erwachsene im gleichen Haushalt leben, also wenn beispielsweise zusätzlich Großeltern vor Ort sind, die die Versorgung der Kinder mit unterstützen.

Fazit

Die Körpergröße von Kindern wird negativ durch die hohe Arbeitslosigkeit der Eltern beeinflusst. Dieser Effekt bleibt auch nach der Kontrolle durch andere mögliche Faktoren bestehen. Die Körpergröße von Kindern kann als ein äußerst sensibler Indikator für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung einer Region herangezogen werden. (red, derStandard.at)