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Ron Paul gibt seine Theorien üblicherweise ungeschminkt von sich. Zuletzt kamen Rassismusvorwürfe gegen ihn auf.

Foto: Eric Gay/AP/dapd

Washington/Wien - Es sagt viel über den Zustand der Grand Old Party aus, dass ein Typ mit dem Charisma eines rechthaberischen Buchhalters im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur plötzlich ganz vorne mitmischt: Ron Paul, ein Libertärer ganz alten Schlages und mit der Linie seiner Partei in vielen Dingen alles andere als einig, hat unversehens die Chance, die Vorwahl in Iowa zu gewinnen. Der Kongressabgeordnete, der bereits zweimal um eine Nominierung kämpfte und sie 1988 für die Libertarian Party immerhin gegen den Musiker Frank Zappa auch errang, ist vom ewigen Zählkandidaten zu einem ernstzunehmenden politischen Faktor geworden.

Nachdem Michele Bachmann, Rick Perry und zuletzt auch Newt Gingrich als Sternschnuppen der Tea-Party-Bewegung jäh verglühten, schafft es nun Paul, auch er einer der Paten der fundamentalistischen Politsekte, hoch auf der Welle der Abneigung gegen das Establishment in Washington zu reiten, dem er selber seit Jahrzehnten angehört und doch irgendwie nicht nahesteht. Aber weil die Rechten in seiner Partei den angeblich moderaten Mitt Romney nicht leiden können, setzen sie nun auf den gelegentlich etwas wunderlichen Paul.

483 Versuche

Mit Unterbrechungen vertritt der Gynäkologe, der politisiert wurde, als Richard Nixon Anfang der 1970er-Jahre den Goldstandard für den Dollar aufhob, die Republikaner seit 1976 im US-Kongress. Seine Mission auf dem Kapitol: die Steuern senken, die Bundesregierung einschränken, auf die Verfassung pochen und Bürgerrechte verteidigen. Das betrieb der texanische Don Quijote auf dem Legislativhügel in Washington so manisch, dass er ein von ihm betriebenes Gesetz (es ging dabei um den Verkauf eines Bundesgebäudes in Galveston, Texas) ganze 483 Mal einbrachte, bis es 2009 endlich beschlossen wurde.

Mit dieser Hartnäckigkeit und seinem kruden Programm schaffte es der 76-Jährige, bei den Tea-Party-Bewegten und deren konstitutionalistischer Folklore, aber auch bei den Occupy-Wall-Street-Aktivisten Sympathien zu sammeln. Auch im studentischen Milieu errang Paul, der die von George W. Bush angezettelten Kriege als einer der wenigen in seiner Partei ablehnte, erstaunlich viel Zustimmung. Zuletzt unterstützte ihn sogar eine rechtsextremistische Miliz.

Bei allen bisherigen Wahlkämpfen und politischen Auseinandersetzungen aber stand er dermaßen auf verlorenem Posten, dass auch öffentlich kolportierte üble Geschichten aus Pauls Vergangenheit kaum verfingen. Dass er in einem in den 1980er- und 1990er-Jahren unter seinem Namen (Ron Paul Investment Letter) veröffentlichten Newsletter rassistische, schwulenfeindliche und antisemitische Äußerungen publizierte, muss er erst jetzt ernsthaft kommentieren. Er habe damals in seiner Klinik in Texas schwer gearbeitet und nicht weiter auf den Inhalt des Newsletters geachtet, ließ er schmallippig wissen.

Auch seine Zurückhaltung bei militärischen Abenteuern lässt in der potenziellen Wählerschaft einige Zweifel aufkommen, die Paul zuletzt mit einer Rede vor Veteranen in Iowa zu zerstreuen versuchte. Dabei schreckt er nicht vor Verschwörungstheorien und Untergangsszenarien zurück: Die Uno etwa könnte die USA übernehmen, wenn sich die US-Staatsschulden weiterhin so elend entwickelten. Oder: Die Regierung bereite das Kriegsrecht vor. Er befürchte Gewalt auf den Straßen.

Die Parolen verfangen. 2008 sammelte er 35 Millionen Dollar an Spenden. In der laufenden Kampagne kam er bis Ende September auf knapp 13 Mio. - da ist der auf seiner Homepage angepriesene Happy New Year's Sale für Wahlkampfdevotionalien noch gar nicht eingerechnet. (Christoph Prantner, DER STANDARD-Printausgabe, 02.01.2011)