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Ein Bild, das in Graz der Vergangenheit angehört. Betroffene Roma sollen nun in ihrer Heimat Arbeit im Knoblauchanbau finden.

Foto: APA/Pfarrhofer

Graz/Banská Bystrica/Koprivnica - Acht Monate nach dem Inkrafttreten des Bettelverbotes in der Steiermark, gegen das tausende Bürger protestiert hatten, freut sich die Grazer VP-Gemeinderätin Sissi Potzinger über ein von ihr mitinitiiertes Projekt. Es heißt "Bioknoblauch Romanes" und soll im slowakischen Banská Bystrica und im kroatischen Koprivnica hunderte bis tausende Roma im Knoblauchanbau beschäftigen. Das Projekt wird mit rund 24.000 Euro von der Stadt Graz und dem Land Steiermark finanziert.

Nach Probepflanzungen im Oktober in der Slowakei, denen Potzinger sowie lokale Medien beiwohnten, fühlen sich aber Kritiker in Graz in ihrer Ablehnung des Projekts bestätigt. Denn nicht nur, dass das interne Konzeptpapier, das dem Standard vorliegt, voll von Klischees über Roma ist, es tauchten auch Bilder von arbeitenden Kindern auf der Homepage von European Neighbours auf.

"Kinderarbeit? Aber nein!", betont Potzinger auf Nachfrage des Standard. Als sie von "Familienarbeit" sprach, habe sie "Tanten und Onkel" gemeint. "Und bei der Pressekonferenz hab ich den Kindern ein paar Zecherln Knoblauch in die Hände gedrückt - für die Fernsehkameras."

Konzept zum Projekt

Im Konzept zum Projekt ist die Rede von Ausbildung, die der Roma-Bevölkerung "zuzumuten" sei, auch in "geistiger Hinsicht". Nur eine der Anspielungen, die auf dem Zeitgeschichte-Institut der Uni Graz für Empörung sorgen. Forscher wie Stefan Benedik und Barbara Tiefenbacher, die an einer breitangelegte Studie über jene Roma, die nach Graz zum Betteln kamen, in deren Heimat arbeiteten, warnen im Standard-Gespräch vor "ethnischer Segregation, wie sie in "kolonialer Politik" immer wieder passiert.

"Dieses Argument, Roma seien sozusagen qua Rasse weniger intelligent als weiße Europäerinnen, begegnet uns in schöner Regelmäßigkeit seit der rassenanthropologischen Festschreibung des Zigeuners in der Zwischenkriegszeit", erklärt Benedik, "es ist nur eine völlig analoge Übersetzung der Behauptung Zigeuner seien erbbiologisch minderwertig". Schon der Name "Bioknoblauch Romanes" sei als "Neuauflage des Zigeunerschnitzels" zu lesen.

"In Operetten besungen"

Sissi Potzinger kann mit solcher Kritik nichts anfangen. Aber warum gerade Knoblauch? "Weil 80 Prozent vom Knoblauch heute aus China kommen", so Potzinger, "und mir haben Haubenköche ihr Leid geklagt, wie schwer es ist, guten zu bekommen." Auch andere Klischees sieht Potzinger, die nun auch steirische Musikschulen für Kooperationen mit Roma in Kroatien und der Slowakei gewinnen will, nicht negativ: "Wir wissen, dass Romakinder überdurchschnittlich musikalisch sind, aber man muss sie fördern. Nicht umsonst ist das in Operetten besungen worden."

Im Herbst soll der Bioknoblauch in Österreichs Supermarktregalen liegen. Bis dahin bekommen die steirischen Grünen vielleicht auch Antworten auf ihre Fragen, die sie im Landtag gestellt haben: etwa ob die Projektabwickler über ausreichend Expertise und Erfahrung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit verfügen, oder wem die Anbauflächen eigentlich gehören. (Colette M. Schmidt/DER STANDARD-Printausgabe, 28.12.2011)