Abuja - Aus Furcht vor weiteren Anschlägen der radikalislamischen Sekte Boko Haram sind in Nigeria viele Christen aus dem von Gewalt erschütterten Norden des Landes geflohen. Vor allem aus den Städten Kaduna, Maiduguri und Potiskum hätten die Menschen die Flucht in den Süden angetreten, berichteten Augenzeugen am Dienstag. Darunter seien viele Einwohner aus südlichen Gebieten, die über die Weihnachtstage in den Norden gereist seien oder dort Geschäfte hätten. "Ohne sie ist unsere Wirtschaft nichts wert", sagte ein Händler auf einem Parkplatz in Maiduguri.

Bei Bombenanschlägen auf katholische Kirchen waren in Nigeria am Weihnachtstag mindestens 40 Menschen getötet worden. Zu den Angriffen bekannte sich die Boko-Haram-Sekte, die sich selbst als "nigerianische Taliban" bezeichnet. Nigeria ist mit etwa 150 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Im Süden leben hauptsächlich Christen, im Norden Muslime. 

"Vergeltung ist nicht die Antwort"

Nach der Anschlagsserie vor allem auf Christen mit 40 Toten an den Weihnachtstagen hat die nigerianische Staatsführung den Verzicht auf Vergeltung gefordert. "Vergeltung ist nicht die Antwort", sagte der Sicherheitsberater von Präsident Goodluck Jonathan, Owoye Azazi, am Dienstag. "Nigeria muss als Nation überleben."

Der Sultan von Sokoto, Mohammed Saad Abubakar, sagte nach einem Gespräch mit dem Präsidenten, es gehe nicht um einen "Konflikt zwischen Muslimen und Christen", sondern zwischen "bösen und guten Menschen". Der Sultan von Sokoto ist der höchstrangige Muslim-Führer in Nigeria, Präsident Jonathan ist ein Christ aus dem Süden des Landes. Nach dem 90-minütigen Gespräch mit dem Sultan äußerte sich der Präsident nicht persönlich zu den Anschlägen. "Die guten Menschen sind zahlreicher als die bösen, also müssen die guten Menschen zusammenkommen, um die bösen zu besiegen", sagte der Sultan.

Hinterbliebene und Überlebende nahmen unterdessen in mehreren Kirchen an Trauerfeiern teil. Unter den Anwesenden war auch die 13-jährige Nancy, die bei den Attentaten ihre Eltern und ihre zwei Geschwister verlor, wie die Zeitung "The Nation" berichtete. Einer der Trauernden berichtete, bei einer der Explosionen sei seine schwangere Frau ums Leben gekommen. "Nach zehn Jahren Ehe hatte mich Gott mit einem Kind gesegnet, aber der Teufel hat meiner Freude ein jähes Ende bereitet", sagte er. (APA)