Starnberg - Um öffentlich präsent zu bleiben - dazu hätte es für Johannes Heesters seit Jahren keiner künstlerischen Aktivitäten mehr bedurft. Alljährlich nahm die Welt staunend die Meldung zur Kenntnis, der nach Guinessbuch-Maßstäben älteste aktive Schauspieler des Globus sei wieder um ein Jährchen älter geworden. Noch erstaunlicher war jedoch, dass Heesters, 1903 im holländischen Amersfoort geboren, nicht einfach Feierlichkeiten über sich ergehen ließ. Soweit es seine Kräfte zuließen, hatte er bei der alljährlichen Geburtstagsgala seinen Auftritt.
Auch beim 100. Geburtstagsfest in Wien: Mit beiden Händen ans Klavier gestützt, sang Heesters zunächst fragil, dann aber sicher vom "Maxim", von geknüpften "zarten Banden" und vom Glück, nicht mehr jung zu sein. Selbst ein Zigarettchen und Bier durften sein - und herbeigezaubert war eine besondere Atmosphäre. Hier wurde mehr bewundert als ein Methusalem der Unterhaltungswelt. Eher ein Klassiker der leichten Muse.
Heesters hatte natürlich ziemlich viel Zeit, seinen Stil zu entwickeln: Nachdem er den Wunsch, Priester zu werden, verworfen hatte, gründete er mit Freunden eine Theatertruppe. Er absolvierte in Amsterdam natürlich eine Schauspiel- und Gesangsausbildung, die er sich auch durch Arbeiten in einer Süßwarenfabrik finanzierte.
Kleine Auftritte absolvierte er in Holland, 1934 trat er erstmals an der Wiener Volksoper auf. Die große Karriere jedoch begann in Berlin, wo Heesters ab 1935 an der Komischen Oper arbeitete. In Deutschland avancierte Heesters schließlich zum Ufa-Leinwandstar, blieb es auch im Krieg, wurde Hitlers Lieblings-Danilo und wirkte bei vielen "Ablenkungsfilmen" jener düsteren Tage mit.
Zu einer Zeit, als Nazi-Truppen seine niederländische Heimat besetzten, sorgte Heesters also in Deutschland für gute "Laune"; auch ein Besuch im KZ Dachau (1941) ist aktenkundig. Und mit der Frage, ob er dort, an diesem Schreckensort, auch noch gesungen hatte, musste sich Heesters immer wieder konfrontieren. Er hat es stets bestritten. Zu jener Phase hat Heesters, dessen Filme nach dem Krieg vom Alliierten Kontrollrat nicht als Nazipropaganda eingestuft wurden, immerhin aber bekannt: "Unsere Arbeit war die verlogenste, die es damals gab."
Mitgemacht zu haben, hat Heesters jedenfalls nach dem Krieg nicht geschadet: Mit Frack, Zylinder und weißem Schal blieb er Symbol und Inbegriff des operettenhaften Bonvivants. An die 750-mal sang er als Honoré in Gigi, und den Grafen Danilo in Lehars Lustiger Witwe gab er etwa 1600-mal.
Soweit Angebote kamen, blieb Heesters bis zuletzt aktiv: Mit 105 hat er noch Kaiser Franz Joseph Im weißen Rößl gegeben. Und noch 2010 stand er auf der Bühne - in der Inselkomödie im Theater am Schiffbauerdamm Berlin. "Wenn ich nicht arbeite, langweile ich mich, dann werde ich krank, und dann ist es aus", meinte er einmal. Nun war es so weit. Johannes Heesters ist am Samstag 108-jährig in Starnberg gestorben. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Printausgabe, 27.12.2011)