Den Reigen eröffnete Ende September der exzentrische Unternehmer Diego Della Valle. "Politiker, jetzt reicht's!" , wetterte der Chef der Nobelmarke Tod's auf einer ganzen Seite im Corriere della Sera. "Eure Zeit ist abgelaufen, ihr solltet euch schämen."

Sein mit dem Vermerk "bezahlte Anzeige" versehener Angriff, den er gleich in mehrere Zeitungen rückte, ließ sich der Großunternehmer mehr als 100.000 Euro kosten. Della Valle konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, wie viele Epigonen seinem Vorbild folgen würden.

Nur wenig später durften sich Leser des bürgerlichen Mailänder Blattes über das ganzseitige Foto eines nackten Mannes wundern. "Täglich steht ein italienischer Unternehmer nur noch in der Unterhose da" , klagte der 37-jährige Textilhersteller Enrico Frare aus dem Veneto. "Während die Nachbarländer Österreich und Slowenien Unternehmern Anreize bieten, werden sie in Italien ausgenommen."

Da mochte auch der Finanzberater Giuseppe Valoppi aus Udine nicht zurückstehen. Für 30.000 Euro redete er den Italienern im Corriere ins Gewissen: "Basta! Schluss mit den Politikern und ihren Wahltricks! Schluss mit den Steuerhinterziehern" . Seine Anzeige zierte patriotisch eine Trikolore: "Viva l'Italia" .

Nachhaltigeren Erfolg zeitigte der Appell des toskanischen Bankkaufmanns Giuliano Melani, der die Italiener im Corriere aufforderte, Staatspapiere zu kaufen, um den Schuldenberg abzubauen: "Lasst uns die Anstrengung unternehmen und auf die Bank gehen. Wer mehr hat, kauft mehr." Melanis Appell wurde von den Banken umgehend aufgegriffen, die zum Anlass sogar auf den üblichen Aufschlag verzichteten. "Die Anzeige hat mich einen schönen Batzen Geld gekostet, aber ich habe mein Ziel erreicht" , freute sich Melani. Der 86-jährige Patriot Luigi Turchi setzte sich bescheidenere Ziele. In seinem "Brief an Italien" ersuchte er seine Landsleute, auf "Gott, Familie und Vaterland" zu vertrauen.

Appell für mehr Ethik

Weil die Politiker des Landes ihren im Oktober publizierten Appell für "mehr Ethik" missachtet hätten, schob die ehemalige Unternehmerin Gigliola Ibba im Dezember eine weitere Corriere-Seite nach: "Ich habe euch dazu aufgerufen, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ihr aber tut genau das Gegenteil" , erregte sich die Mailänderin.

Mario Montis drakonisches Sparpaket schließlich löste eine Flut neuer Anzeigen aus. Kaufleute, Apotheker und Anwälte protestierten gegen die geplante Liberalisierung, die ligurische Stadt Chiavari gegen die geplante Schließung des Gerichts. Die Apotheker sahen ihre "unersetzliche Rolle als Wächter der Volksgesundheit" gefährdet, die Kaufleute wandten sich an die Regierungen der Regionen, um die Freigabe der Öffnungszeiten rückgängig zu machen. Das kostspielige "Ballett der Lobbys" wiederum stimulierte den Bund der Genossenschaften zu einem Großinserat: "Basta mit den Korporatione!" (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, Printausgabe, 27.12.2011)