In Bethlehem erwacht zur Weihnachtszeit das Leben auf den Strassen.

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Während einer Messe zum orthodoxen Weihnachten zündet eine Frau eine Kerze an.

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Wie es die palästinensische Weihnachtstradition hält, marschieren Pfadfinder über den Platz in Bethlehem.

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An diesem Weihnachtsabend werden sich auch heuer wieder tausende Christen am Manger Platz in Bethlehem einfinden. Die Messen der unterschiedlichen christlichen Konfessionen werden abgehalten, und Pfadfindergruppen marschieren musizierend durch die Menge an Zuschauern. Am Abend singen dann Chöre. Umrahmt von kitschig-schöner Beleuchtung, steht oder sitzt man, trinkt Tee, und raucht Wasserpfeife. Und wenn die Kirchenglocken läuten, folgt direkt danach der Ruf des Muezzins aus der Moschee. "Allahu akbar", Gott ist Gross.

Die traditionell guten, wenn auch nicht konfliktfreien Beziehungen zwischen Christen und Muslimen in Palästina sollen nicht über die Gefahren für die christlichen Minderheiten in der Region hinwegtäuschen. Man kann nur hoffen, dass 2012 für sie besser beginnt als 2011 und 2010.

Im ägyptischen Alexandria wurden am 1. Jänner 2011 während einer Neujahrsmesse 23 koptische Christen durch einen Anschlag getötet, 70 weitere wurden dabei verletzt. Das Jahr davor begann in Ägypten ebenfalls blutig, als ein 39-jähriger Moslem am 7. Jänner im Vorbeifahren sechs Kopten und einen Polizisten nach einer Weihnachtsmesse in Naga Hamaday erschoss. Gemordet wurde auch im Irak. Ein Kommando des Al-Kaida Netzwerks stürmte am 31. Oktober 2010 eine Kirche in Bagdad und erschoss 44 Gläubige und zwei Priester.

Diese schwerwiegenden Anschläge haben viele Christenvertreter in Alarmbereitschaft versetzt. Doch schon lange wandern Christen beinahe überall im Nahen Osten aus. Seit dem Golfkrieg 1991 ist fast die Hälfte aller Christen aus dem Irak emigriert, die meisten nach der amerikanischen Invasion im Jahr 2004. Auch in Ägypten ist die Gemeinschaft mittlerweile stark geschrumpft. Mehr als die Hälfte der libanesischen Christen lebt im Ausland.

Die Wahlsiege der Islamisten in Ägypten und Tunesien, worin man durchaus einen regionalen Trend sehen kann, dürften die christlichen Minderheiten im Nahen Osten weiter beunruhigen, so zerstritten diese oft auch untereinander sind. Reibereien zwischen unterschiedlichen Konfessionen haben in der Jerusalemer Grabeskirche immer wieder zum Konflikt, ja sogar zu Schlägereien geführt. Wegen dem innerchristlichen Glaubensstreit bewahrt seit Jahrhunderten eine muslimische Familie die Schlüssel zur Kirche auf.

Zumindest die Feierlichkeiten um Weihnachten verlaufen in Bethlehem zumeist konfliktfrei. Immerhin verdient auch die muslimische Bevölkerung gut am Tourismus mit. Dennoch gibt und gab es immer wieder Probleme, meint der christlich-palästinensische Soziologieprofessor Bernard Sabella. Im Bethlehem, dem Geburtsort von Jesus, stellten Christen 1990 noch die Mehrheit, wurden dann aber durch die Angliederung muslimisch geprägter Flüchtlingslager an den Bezirk bald zu einer Minderheit. „Schlecht geht es den palästinensischen Christen nicht", sagt er, „aber aus wirtschaftlichen und politischen Gründen wandern viele aus."
Sabella sieht kurzfristig zwar keine Gefahren für die palästinensischen Christen, er sorgt sich dennoch um den wachsenden Islamismus. "Warum sind muslimische Gruppierungen oft intolerant? Weil sie ein sehr enges Weltbild haben", meint er. Um Probleme vorzubeugen, müsse Pluralismus gefördert werden. „In vielen Teilen des Nahen Ostens fehlt die Vision einer Gesellschaft für alle."