Langsames Erwachen aus einer eher altvaterischen Ballettinszenierung: Liudmila Konovalova und Vladimir Shishov in "Dornröschen".

Foto: Staatsoper

Wien - Schon bei seiner Uraufführung 1890 wurde Dornröschen in der Choreografie von Marius Petipa als prunkvolles Kostüm- und Ausstattungsspektakel inszeniert. Das "klassischste aller Ballette" hat das Potenzial, ein Augen- und Ohrenschmaus zu sein (Peter Iljitsch Tschaikowsky hielt es für sein bestes Werk in diesem Genre), auf der emotionalen Seite ist es jedoch unterbeleuchtet: keine gebrochenen Herzen, kein tragischer Tod, nur sehr allegorische Referenzen auf Sex, wenig Aufregendes und nichts Komisches (abgesehen von den niedlichen Divertissements des Gestiefelten Katers und des Rotkäppchens im vierten Akt). Konfliktstoff ist lediglich bei den konkurrierenden Feen zu finden, der guten Fliederfee und der bösen Carabosse.

Vom Prolog bis zum zweiten Akt wird die Handlung über weite Strecken mit der großen Geste der Ballettpantomime transportiert, mit Auroras Geburtstagsfest und dem berühmten Rosenadagio als Höhepunkt. Nachdem Florimund Dornröschen wachgeküsst hat, kommt im dritten Akt die Action: Beim etwa 40-minütigen Royal Wedding reiht sich ein Divertissement an das andere und endet in einem Grand Pas de deux des Hochzeitspaares.

Es gibt also nur einen Weg, dieses mehr als dreistündige Ballett interessant zu machen: durch eine clevere Inszenierung und famoses Tanzen. In Wien hat man jedoch die eher altvaterische Variante von Peter Wright aus dem Fundus geholt. Ausstatter Peter Prowse hat das Märchen im höfischen Ambiente mit Anspielungen an das absolutistische Frankreich platziert. Bei den unzähligen kostbaren Kostümen glänzt Gold mit Zuckerlrosa um die Wette. Choreograf Peter Wright inszeniert diese Opulenz über weite Strecken als Defilee, denn die schweren Klamotten und ausladenden Perücken schränken den Bewegungsradius ein. Aus der in anderen Versionen getanzten Rolle der Fliederfee wird hier - originalgetreu - ein pantomimischer Part.

Doch auch bei der Hochzeitsfeier kommt die Feststimmung erst beim Goldflitterregen im Finale auf. Die Schwerfälligkeit der Inszenierung scheint das Ensemble des Wiener Staatsballetts angesteckt zu haben, es wirkt, als wäre es aus dem hundertjährigen Schlaf noch nicht ganz aufgewacht.

Liudmila Konovalova als Aurora und Vladimir Shishov als Prinz Florimund sind ein schönes Paar, das die technischen Schwierigkeiten routiniert meistert. Überzeugend waren an diesem Abend vor allem drei Figuren durch ihre klare, ausdrucksstarke Gestik: Dagmar Kronberger ist eine elegante, bestimmte Fliederfee, die ihre Widersacherin in die Grenzen weist. Katevan Papava interpretiert Carabosse mit Autorität, ohne zu outrieren. Präsenz zeigte Alexandra Kontrus in einer Nebenrolle als die Mutter Auroras. Unter der müden Stimmung auf der Bühne litt auch das Staatsopernorchester unter der Leitung von Paul Connelly.  (Edith Wolf Perez / DER STANDARD, Printausgabe, 24./25./26.12.2011)