Karl Fischer im Jahr 1936. Wenig später wurde der 17-Jährige wegen "Hochverrats" zu fünf Jahren schwerem Kerker verurteilt. Er hatte regimekritische Zeitschriften verteilt

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Karl und Roland Fischer im Jahr 1959, vier Jahre vor dem Tod des Vaters

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Fast 13 Jahre seines 45 Jahre langen Lebens verbrachte Karl Fischer in Kerkern, Arbeitslagern, im KZ und in Haft. Der überzeugte Trotzkist fiel der Repression des Austrofaschismus, des Nationalsozialismus und des Stalinismus zum Opfer, 1963 starb der Wiener an den Folgen der erlittenen Qualen. Doch im Unterschied zu KZ und Gulag wurde die schwere Kerkerstrafe im Austrofaschismus bis heute nicht als Unrecht anerkannt. Das soll sich nun ändern.

Unbekannter Vater

"Mein Vater hat sein Leben lang gewaltfrei für seine Ideale gekämpft", sagt Roland Fischer. Karl Fischers Sohn lebt als Religionslehrer in Graz, seinen Vater hat er früh verloren, im Alter von fünf Jahren. Lange Zeit wusste er fast nichts über dessen Vorgeschichte. "Meine Mutter hat nur erzählt, dass er lange in Haft war - mehr hat sie selbst nicht gewusst", sagt Fischer. Als Teenager begann er auf eigene Faust nachzuforschen - und entdeckte als 23-Jähriger, dass der Historiker Fritz Keller vor kurzem eine Biografie seines Vaters veröffentlicht hatte - das Buch "In den Gulag von Ost und West" bot Roland Fischer Einblick in das Leben des Vaters.

Verschleppt

1936 wurde Karl Fischer, erst 17 Jahre alt, wegen Verbreitung verbotener Druckschriften von der Dollfuß-Justiz zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt. 1938 floh er, von Schuschnigg begnadigt, nach Belgien, wurde dann als "Verdächtiger" gemeinsam mit deutschen Spionen in ein französisches Lager verfrachtet, aus dem ihm die Flucht gelang. 1944 lieferten die französischen Behörden ihn an die Gestapo aus, Fischer wurde ins KZ Buchenwald deportiert. Nur knappe zwei Jahre lebte er in Freiheit - dann wurde er an der Demarkationslinie in Linz von den Sowjets festgenommen und verschleppt. Fast neun Jahre lang hielt man ihn in Arbeitslagern in Sibirien und im Ural fest. 

Als er 1955 nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags amnestiert wurde und nach Österreich zurückkehren konnte, bemühte sich Karl Fischer um die Aufhebung seiner Verurteilung aus dem Jahr 1936. Er ging bis zum Oberlandesgericht Wien, unterstützt von seinem Rechtsanwalt, dem späteren Justizminister Christian Broda versuchte er über ein Jahr lang seine Rehabilitierung zu bewirken. "Er wollte ein winziges Stück Wiedergutmachung erleben", sagt sein Sohn. Doch diese Genugtuung blieb ihm verwehrt. Für die Aufhebung der Dollfuß-Urteile fehlte die entsprechende gesetzliche Grundlage.

"Mein Vater hätte es auch gemacht"

49 Jahre nach dem Tod seines Vaters hegt Roland Fischer nun neue Hoffnung, dass die Verurteilung und Inhaftierung seines Vaters als Unrecht anerkannt wird: ÖVP und SPÖ haben sich auf Antrag der Grünen auf ein Gesetz zur Rehabilitierung der Dollfuß-Opfer geeinigt. Mitte Jänner soll es im Nationalrat beschlossen werden. Danach können Opfer oder Angehörige von Opfern einen Antrag beim Straflandesgericht stellen, welches dann nach Prüfung der Voraussetzungen schriftlich dokumentiert, dass die Verurteilung und Inhaftierung Fischers Unrecht war. "Ich bin überzeugt davon, dass mein Vater diesen Antrag gestellt hätte, wenn er noch am Leben wäre", sagt Roland Fischer. Er wolle es "als sein Stellvertreter" tun. 

Für Albert Steinhauser von den Grünen, Veranlasser des Gesetzes, ist der Fall Fischer "ein wichtiges Zeichen": GegnerInnen einer Rehabilitierung hätten stets argumentiert, dass es "eh niemanden mehr interessiert", schließlich seien die allermeisten Opfer des Austrofaschismus nicht mehr am Leben. "Wir haben für unsere Bemühungen immer nur ein müdes Lächeln geerntet", so Steinhauser, "aber jetzt sehen wir: Es gibt Angehörige, denen es wichtig ist."

Im Kampf um die Aufhebung der Sowjet-Urteile, die über seinen Vater erstreckt wurde, gelang Fischer bereits vor 15 Jahren ein entscheidender Erfolg: Im Juni 1996 ereilte ihn ein Brief der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation mit der "Bescheinigung über die Rehabilitierung" Karl Fischers. 41 Jahre nach der Freilassung aus dem Arbeitslager wurde die Internierung als Unrecht anerkannt. Jetzt könnte es auch in Österreich so weit sein. (Maria Sterkl, derStandard.at, 3.1.2012)