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Dmitri Medwedew  bei seiner Rede zur Lage der Nation

Foto: epa/SERGEI ILNITSKY

Moskau - Nach beispiellosen Protesten gegen die umstrittene russische Parlamentswahl geht Kremlchef Dmitri Medwedew überraschend mit Reform-Ankündigungen auf die Regierungskritiker zu. Der Präsident kündigte am Donnerstag eine Rückkehr zu den Gouverneurswahlen an, die sein Vorgänger Wladimir Putin vor sieben Jahren abgeschafft hatte. Die Menschen in Russland müssten mehr Möglichkeiten der politischen Mitbestimmung haben, sagte Medwedew in seiner Rede zur Lage die Nation im Großen Kremlpalast in Moskau.

Unabhängiger Fernsehsender

Medwedew kündigte bei der live im Staatsfernsehen übertragenen Rede zudem einen leichteren Zugang für Bewerber zu Wahlen sowie eine bessere Kontrolle der Abstimmungen an. Entsprechende Gesetzesinitiativen würden in nächster Zeit in die Duma eingebracht, hieß es. Außerdem soll es künftig ein landesweites öffentlich-rechtliches Fernsehen geben. Der Kreml steht unter der Kritik, das gegenwärtige Staatsfernsehen politisch zu steuern.

Kandidatur erleichtern

Für die Zulassung zur Präsidentenwahl etwa solle ein Einzelbewerber künftig nur noch 300.000 und nicht mehr zwei Millionen Unterschriften von Unterstützern nachweisen müssen, sagte Medwedew vor rund 1.000 Vertretern von Politik, Militär und Religion. Auch die Registrierung von Parteien müsse vereinfacht werden.

Er habe den "Ruf nach einem Wandel" gehört, betonte Medwedew angesichts der jüngsten Massenproteste auch von bisher politisch passiven Menschen. Der Kremlkritiker und frühere Vize-Regierungschef Boris Nemzow sah in Medwedews Rede eine direkte Reaktion auf die Kundgebungen gegen die von Fälschungsvorwürfen überschattete Duma-Wahl am 4. Dezember.

Auch die geplante Rückkehr zu Direktmandaten in der Staatsduma sei ein richtiger Schritt, sagte Nemzow. Die bisher von den Wahlen ausgegrenzten Kremlkritiker teilten mit, dass es künftig wieder eine Chance für politische Mitbestimmung gebe in Russland. Auch die nicht zugelassene liberale Oppositionsbewegung Parnas hofft nach Angaben des Politikers Wladimir Ryschkow jetzt auf eine Registrierung.

Keine Neuwahlen

Regierungsgegner forderten, dass die Reformpläne auch nach Medwedews Ausscheiden aus dem Kreml 2012 umgesetzt werden müssten. Auf die Kernforderung enttäuschter Wähler nach Neuwahlen ging Medwedew nicht ein. Zehntausende Menschen wollen an diesem Samstag allein in Moskau wieder für ehrliche Wahlen demonstrieren.

Die Gouverneurswahlen waren auf Initiative Putins im Dezember 2004 abgeschafft worden. Die Chefs der Regionen wurden seither vom Kreml bestimmt. Die Wiedereinführung der Direktwahl ist seit langem eine Kernforderung der demokratischen Kräfte.

Absprache mit Putin

Die Reformpläne seien mit Regierungschef Putin abgesprochen, sagte Medwedew. Putin will am 4. März 2012 bei der Präsidentenwahl antreten und wie von 2000 bis 2008 im Kreml regieren. Kritiker hatten Medwedew stets einen Mangel an Durchsetzungsfähigkeit vorgeworfen und äußerten die Hoffnung, dass die Reformpläne tatsächlich umgesetzt werden. Medwedew soll nach einem mit Putin abgesprochenen Ämtertausch künftig als Regierungschef arbeiten.

Medwedew warnte in der letzten großen Rede seiner Amtszeit den Westen vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands. "Wir brauchen Demokratie und kein Chaos", betonte der Kremlchef. Russland werde "Provokateure und Extremisten" auch in Zukunft daran hindern, die Lage im größten Land der Erde zu destabilisieren. (APA)