Ultraschallsensoren in den Mülltonnen, die den tagesaktuellen Füllstand online an die Müllabfuhr melden, sollen den Anblick überquellender Container in Zukunft verhindern.

Foto: STANDARD/Cremer

Etwa 3,8 Millionen Tonnen Müll, fallen jährlich allein in Österreichs privaten Haushalten an. Um diese zu entsorgen, weiter- und wiederzuverwerten, ist ein beachtlicher logistischer Aufwand nötig. Ein Aufwand, den der normalverbrauchende Müllproduzent nicht sieht. Kaum einer denkt an planerische Herausforderungen, optimale Wege, Abholzeiten und -frequenzen, wenn gerade ein oranges Müllauto die Gasse verstopft.

Derzeit wird die Müllabholung langfristig geplant. Es wird für ein Jahr im Voraus bestimmt, dass etwa Sammelinseln, wo Glas, Kunststoff und Metall auf die Abholung warten, vielleicht jeden Dienstag und Freitag angefahren werden. Da kann es natürlich trotzdem vorkommen, dass ein Müllcontainer überquillt. Das sorgt dann nicht nur für Ärger bei den Wegwerfenden, sondern verlangt auch der Müllabfuhr mehr ab, die den verstreuten, neben dem Container abgestellten Müll wieder einsammeln muss.

Dass in Zukunft der Müllwagen genau dann kommt, wenn es notwendig ist, dafür will Günter Kiechle sorgen. Der Wirtschaftsinformatiker, der beim Forschungsinstitut Salzburg Research an der Optimierung von Logistiksystemen arbeitet, leitet ein Projekt, das die Planung der Müllentsorgung verbessern soll und durch das Programm I2V (Intermodalität und Interoperabilität von Verkehrssystemen) des Verkehrsministeriums gefördert wird.

Demnach sollen die Container nicht mehr nach einem starren Plan, sondern abhängig von ihrem tatsächlichen, aktuellen Füllstand geleert werden, erklärt Kiechle. Sensoren sollen melden, wie voll die Mülltonnen gerade sind. Aufgrund der Online-Sensordaten soll eine Software optimale Routen für den Tag vorschlagen. Das soll die Qualität der Müllabfuhr verbessern und unnötige Wege, Zeit und Ressourcen einsparen. "Wir gehen davon aus, dass wir die reinen Abholkosten zwischen 20 und 30 Prozent reduzieren können", sagt Kiechle.

In ihrem Projekt spielen Kiechle und seine Mitarbeiter die Optimierung zunächst für eine Müllfraktion an den Sammelinseln durch, voraussichtlich für Kunststoff. Das Prinzip sei aber genauso bei der Müllabholung von Wohnhäusern anwendbar. Wenn die Logistiksoftware auf die speziellen Herausforderungen der Müllentsorgung abgestimmt ist, sollen in einer Proberegion die Sensoren installiert und die computergestützte Tourenplanung getestet werden. Ende 2012 soll das Projekt abgeschlossen sein.

In den Müllcontainern werden dann vor allem Ultraschallsensoren montiert, die regelmäßig die Oberfläche des Müllgebirges vermessen. Das Messen stellt ein Problem für sich dar: Wenn etwa eine Plastikfolie in den Container geworfen wird, kann es aussehen, als ob sie voll wäre. Wird dann etwas Schweres daraufgeworfen, sackt die Folie zusammen, und die Mülltonne erscheint weniger voll. Zum Teil sollen die Sensoren solche Effekte abfangen können, indem sie einen Wahrscheinlichkeitswert liefern. Die Herausforderung bei der Programmierung der Computeranwendung besteht darin, viele Parameter unter einen Hut zu bringen. Die Software berechnet etwa, welche Route zwischen den vollen Containern in welcher Reihenfolge am wenigsten Zeit benötigt.

Müllprognosen stellen

Auch Faktoren wie vorgegebene Zeitfenster bei den Sammelstellen – etwa wenn eine Schule oder ein Krankenhaus in der Nähe ist – oder die Kapazität des Fahrzeugs, für das man die Entleerungsfahrt gleich mit einplanen muss, werden miteinbezogen.

Die Online-Sensordaten aus den Containern sollen außerdem nicht nur der tagesaktuellen Planung dienen, sondern auch langfristig beobachtet werden, um Prognosen stellen zu können. "Der Planer soll abschätzen können, wie sich der Füllgrad eines Containers entwickeln wird", sagt Kiechle. Es sei wichtig zu wissen, ob der Container noch heute oder übers Wochenende übergehen wird und wie sich die Müllmengen etwa zur Weihnachtszeit verändern. Dem Personal soll die automatisierte Planung zu einer gerechteren Auslastungsverteilung verhelfen. "Wenn zum Beispiel ein Fahrer immer Überstunden macht, weil er eine schwierige Tour hat, kann es ein Ziel sein, für gleich lange Arbeitszeiten zu sorgen", so Kiechle.

Die Software, die am Ende des Projekts brauchbare Daten liefern soll, wird die Disponenten, die in der Früh die Fahrzeugflotte einteilen, nicht ersetzen können, betont der Informatiker. Bei solchen Projekten gebe es immer ein gewisses Unwohlsein bei den Fachkräften. Man befürchtet, dass die Planungswerkzeuge die Wegrationalisierung von Stellen bedeuten. "Der Computer kann einen menschlichen Planer nicht ersetzen, ihm aber das Leben erleichtern", sagt Kiechle. Ob man den Vorschlägen folgt, müsse man genauso entscheiden wie die Frage, ob man am Steuer eines Autos der Route des Navigationsgeräts folgt. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2011)

=> Wissen: Spezifisch planen und sparen

Wissen: Spezifisch planen und sparen

Dynamische Planungssysteme werden in immer mehr Bereichen eingesetzt: Bei der Salzburg Research Forschungsgesellschaft wird bzw. wurde neben der Optimierung der Mülllogistik etwa auch an Projekten gearbeitet, die die Planung von Krankentransporten, die Auslieferung von Fertigbeton oder die mobile Hauskrankenpflege verbessern sollen.

Auch die Disposition von Servicetechnikern in großen Betrieben ist ein Anwendungsgebiet der computergestützten Planungsoptimierung. Dabei geht es nicht nur um kurze Wege, sondern immer auch um problemspezifische Besonderheiten, die eine Aufgabe mit sich bringt. Das System muss bei der Außendienststeuerung etwa berücksichtigen, dass manche Aufträge nur von Servicetechnikern mit spezieller Ausbildung erledigt werden können, dass eine bestimmte Ausrüstung vonnöten ist etc.

Ein erstes Projekt im Müllbereich, das die Logistik noch ohne den Rückgriff auf Sensordaten optimiert, brachte in Vergleichsrechnungen bis zu 20 Prozent Einsparung gegenüber manueller Einteilung. (pum)