Die Bloggerin der denkwerkstatt veröffentlichte am Montag eine Medienkritik an der Reproduktion klischeehafter Geschlechterrollen in der Wiener Stadtzeitung Biber. Der Blogger Philip Sonderegger hält diese "unaufgeregte Kritik" für ein gutes Zeichen, denn sie "kommt ohne Verweis auf den Migrationshintergrund der RedakteurInnen aus". Beide Analysen greifen zu kurz.

Die denkwerkstatt-Kritik ist unvollständig ohne den Hinweis, dass es hier sehr wohl um Geschlechterklischees geht, die zum Großteil entlang der vermeintlichen kulturellen Grenzen positioniert werden. Zu diesem Thema sei der Kommentar "Von Balkanfrauen und Schwabomännern" empfohlen. Doch gerade diese Auslassung der "migrantischen" Komponente hält Sonderegger für eine Errungenschaft und sieht uns der postmigrantischen Gesellschaft einen Schritt näher gekommen. Auch das ist eine recht optimistische und verkürze Sichtweise.

Mag sein, dass Biber keinerlei migrantisch-emanzipatorische Ansprüche stellt, aber diese werden an das Magazin von außen heran getragen. Die RedakteurInnen werden sehr wohl etwa als NachwuchsjournalistInnen mit Migrationshintergrund um Expertise gebeten und ihr Magazin oft als bestes Beispiel gelungener medialer Integration angeführt. Mag sein, dass Simon Kravagna und sein Team ein "normales Stadtmagazin" machen wollen, wie Sonderegger sagt, aber ob "mitverschuldet" oder nicht, man sieht sie hier auch den vielstrapazierten "Integrationsbeitrag" leisten. Wo genau liegt aber dieser integrative Beitrag?

Über die satirisch überzeichneten Klischeebilder lachen die zweite Generation und die Mehrheitsgesellschaft gleichermaßen. Beide fühlen sich bestätigt: "Ja, so sind's halt, die Jugos/Türken! – So ist er halt, der spießige, unlockere Schwabo!" Und trotzdem fühlt man sich wohl miteinander: Auf der einen Seite der multikulti-affine Bobo und auf der anderen Seite die vermeintlich exotischen Tabubrecher der zweiten Generation.

Wenn sich MigrantInnen journalistisch bestätigen, müssen und sollen sie nicht Integrationspolitik, das Phänomen der Migration oder soziale Probleme wälzen. Sie dürfen auch unterhalten. Sie dürfen sich am Markt orientieren. Sie müssen keine Integrationsbeiträge leisten. Sie dürfen unkritisch sein. Sie dürfen, genauso wie alle anderen Journalistenkollegen, unausgereifte Thesen und Klischees verbreiten. Das ist aber dann eigentlich postjournalistisch und hat mit dem Phänomen einer postmigrantischen Gesellschaft wenig zu tun.

"Wenn in den Chefetagen genauso viele unfähige Männer, wie unfähige Frauen sitzen haben wir Gleichberechtigung erreicht", habe ich kürzlich gehört (Die Autorin dieses humorvollen und treffenden Satzes ist mir leider entfallen). Angelehnt daran lässt sich schlussfolgern: Noch gibt es zu wenige JournalistInnen mit Migrationshintergrund, als dass wir uns erlauben könnten auch postjournalistisch und damit richtig postmigrantisch zu sein. (Olivera Stajić, 20. Dezember 2011, daStandard.at)