Basel, Borstel, Kiel - In Deutschland erkranken zirka 4.500 Personen pro Jahr neu an einer Tuberkulose. Die Krankheit wird durch das Mycobacterium tuberculosis ausgelöst und kann im Normalfall mit Antibiotika bis zur vollständigen Heilung behandelt werden. Unbehandelt oder bei Antibiotikaresistenzen kann die Krankheit tödlich verlaufen.

Über antibiotikaresistente Bakterien ist bereits bekannt, dass sie oft weniger ansteckend sind, als antibiotikaempfindliche Erreger sind, weil Mutationen, die zu Resistenzen führen, einen negativen Effekt auf den normalen bakteriellen Stoffwechsel haben. Damit sinkt die Überlebensdauer der Bakterien, dennoch haben multiresistente Tuberkulosebakterien in den letzten Jahren stark zugenommen. 

Erfolgreiche Verbreitung

Die Wissenschaftler Sébastien Gagneux vom Tropen- und Public Health Institut in Basel und Stefan Niemann vom Forschungszentrum Borstel und Mitglied im Exzellenzcluster Entzündungsforschung, und ihre Arbeitsgruppen haben jetzt eine mögliche Erklärung für die erfolgreiche Verbreitung dieser multiresistenten Bakterien gefunden. „Bislang wurde angenommen, dass die weltweite Zunahme der multiresistenten Tuberkulose vor allem auf Probleme in den Gesundheitssystemen zurückzuführen ist. Unsere Resultate deuten nun darauf hin, dass auch biologische Faktoren der Erreger eine Rolle spielen", erläutert Sébastien Gagneux.

Die Forscher haben so genannte kompensatorische Mutationen in der RNA-Polymerase entdeckt, die zur einer Verbesserung der Fitness multiresistenter Mycobacterium-tuberculosis-Erreger beitragen, ohne aber zu einem Verlust der Resistenz zu führen. Spezifischer Anteil der Arbeiten aus Borstel war die Untersuchung der Bedeutung dieser Mutation bei einer großen Anzahl klinischer Isolate. Genomanalysen von multiresistenten Stämmen ergaben, dass Kompensationsmutationen in den Ländern am häufigsten auftreten, in denen das Problem der multiresistenten Tuberkulose am bedeutendsten ist. „Dies deutet darauf hin, dass diese Kompensationsmutationen bei der Übertragung multiresistenter Mycobacterium-tuberculosis-Erreger generell eine wichtige Rolle spielen", so Stefan Niemann.

Kontrollstrategien anpassen

In weiterführenden Studien in Borstel wird nun die Verbreitung von multiresistenten Stämmen mit besonders hoher Fitness durch kompensatorische Mutationen in Ländern mit hoher Tuberkulose-Inzidenz untersucht. Diese Erkenntnisse werden es ermöglichen, Kontrollstrategien anzupassen, um der Verbreitung von besonders virulenten und multiresistenten Tuberkulosestämmen entgegenzuwirken. (red)