Wenige Möbel, aber dafür Wände, die von künstlerischen Adern durchzogen sind: Elisabeth H. und Anton P. in ihrer betreuten Startwohnung in Wien-Simmering.

Foto: Lisi Specht

Elisabeth H. und Anton P. waren früher obdachlos. Heute leben sie in einer sogenannten Startwohnung des Wiener Vereins Neunerhaus. Wojciech Czaja hat sie besucht.

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"Ich bin ausgebildete Fotografin, habe in Deutschland in der Reprografie und in der Atelierfotografie gearbeitet und bin dann 1973 wieder nach Wien zurückgekommen. Der Neustart war nicht einfach. Und dann kam ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Ich habe meinen Sohn auf die Welt gebracht, der körperbehindert ist und um den ich mich zu Hause gekümmert habe, und habe dadurch meinen Job verloren. Nach dem Tod meiner Mutter schließlich konnte ich mir die Wohnung nicht mehr leisten. So wurde ich obdachlos.

Das ist jetzt 14 Jahre her. Am Anfang habe ich mich wahnsinnig gegen diesen Gedanken gesträubt. Die erste Nacht in der Gruft in der Mariahilfer Straße war entsetzlich. Aber dafür habe ich dort meinen Lebenspartner Anton kennengelernt. Etwas Gutes hatte die Sache ja immerhin! Wir sind daraufhin gemeinsam in eine betreute Wohnung gezogen und leben seitdem zusammen.

Danach haben wir in einer Gemeindewohnung gelebt. Nach ein paar Jahren hatten wir aufgrund einiger Krisen zu wenig Geld für die Miete, waren im Mietrückstand und wurden delogiert. Und so sind wir eines Tages im Neunerhaus gelandet. Das ist eine Obdachloseneinrichtung, die Menschen wie uns hilft.

In dieser Startwohnung in Simmering leben wir jetzt seit eineinhalb Jahren. Der offizielle Mieter ist das Neunerhaus. Im schlimmsten Fall - und den gab es leider schon einmal vor ein paar Monaten - ist das ein gewisser Sicherheitspuffer. Wenn wir im Rückstand sind, gibt es die Möglichkeit zum Gespräch, ohne dass wir gleich wieder delogiert werden. 45 Quadratmeter ganz für uns allein. Mit den Nachbarn kommen wir auch sehr gut aus. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie wohl wir uns hier fühlen.

Meine fotografische Berufslaufbahn ist ja schon lange vorbei. Nur das gewisse fotografische Auge ist geblieben. Und Anton, der früher als Maler und Anstreicher gearbeitet hat, hat überhaupt eine künstlerische Ader. Er zeichnet jede Woche ein paar Bilder, meist mit Kugelschreiber und Bleistift. Das war eine Idee unserer Betreuerin. Sie meinte, wenn wir die Wohnung verschönern wollen, dann könnten wir doch selber ein Kunstwerk anfertigen. Jetzt kann Anton gar nicht mehr aufhören mit dem Zeichnen. Ich glaube, wir könnten mittlerweile die Wohnung damit austapezieren. Es gibt etwa hundert dieser Zeichnungen. Die 40 schönsten hängen bei uns an den Wänden. Der Großteil hier über der Couch, die anderen an der Wand neben dem Fenster.

Das ist unsere Kunst. Gut, dass wir sie haben, denn sonst ist es bei uns recht leer. Die Möbel wurden uns alle vom Neunerhaus aus privaten Spenden zur Verfügung gestellt. Das ist eine großartige Unterstützung, denn wir hätten uns ohne diese Hilfe nicht einrichten können. Von uns stammen der Fernseher, das Radio sowie unsere persönlichen Sachen.

In unserem Lieblingseck befinden sich, wie man sich vorstellen kann, Esstisch und Couch. Anton sitzt meist am Tisch und zeichnet. Ich sitz am liebsten auf dem Sofa und lese ein Buch oder löse Kreuzworträtsel. Und unsere Freizeit? Wie bei ganz normalen Leuten. Wir gehen gerne spazieren, kochen regelmäßig und spielen miteinander Würfelpoker. Und jedes zweite Wochenende ist mein mittlerweile erwachsener Sohn zu Besuch. Ein halbes Jahr können wir hier noch wohnen bleiben. Danach werden wir uns eine eigene Wohnung suchen müssen." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.12.2011)