Der ungarische Verfassungsgerichtshof hat am Montag einige Bestimmungen der auch international heftig umstrittenen Mediengesetzgebung aufgehoben. Diese hatte zu Protesten im In- und Ausland und teils große Sorge über die Pressefreiheit in Ungarn geführt.

Die Kritik am "Mediengesetz" bezog sich eigentlich auf zwei Gesetze: das Gesetz Nr. CIV des Jahres 2010, bekannt auch als "Medienverfassung", und dem eigentlichen Mediengesetz Nr. CLXXXV von 2010. Sie wurden im Vorjahr vom Budapester Parlament verabschiedet, in der die rechtskonservative Regierungspartei Fidesz von Premier Viktor Orban gemeinsam mit ihrem Bündnispartner, den Christdemokraten (KDNP), eine Zwei-Drittel-Mehrheit innehat.

Beide Rechtsnormen sind mit 1. Jänner 2011 in Kraft getreten, gleichzeitig mit dem Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Nachdem die EU-Kommission vor allem an den Bestimmungen über den Markt der audiovisuellen Medien und möglicherweise grenzüberschreitende Rechtsnormen Kritik geübt hatte, wurden einige Inhalte im heurigen Februar mit dem Gesetz Nr. XIX aus dem Jahr 2011 geändert.

Das Gesetz Nr. CIV handelt laut Titel "Von der Pressefreiheit und den grundlegenden Regeln der Medieninhalte". Die nur 23 Paragrafen umfassende Rechtsnorm beschreibt insbesondere die Grundsätze der Pressefreiheit, die Regeln im Umgang mit Informationsquellen, die ethischen Verpflichtungen der Medien und die Bestimmungen zur Veröffentlichung von Richtigstellungen.

Umgang mit Informationsquellen

Besonders bemängelt werden von Kritikern dabei jene Vorschriften, wonach Journalisten kein Recht hätten, die Identität einer Informationsquelle geheim zu halten, "wenn diese unberechtigt geheime Daten weitergibt". Zudem könne ein Gericht oder eine Behörde "in besonders begründeten Fällen" das Medium zur Bekanntgabe der Quelle verpflichten, wenn es "um Fragen der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder die Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten" geht.

Kritiker sehen darin eine Aushebelung von Redaktionsgeheimnis und Informantenschutz. Das Verfassungsgericht hat nun die Bestimmungen über den Informantenschutz aufgehoben, da diese "ohne verfassungsrechtliche Begründung der Möglichkeit der Einschränkung der Pressefreiheit Tür und Tor" öffneten.

Ein weiterer umstrittener Punkt der "Medienverfassung" sind die Modalitäten einer Gegendarstellung. Ein Medium ist demnach verpflichtet, jeglichem, innerhalb von 30 Tagen nach Erscheinen schriftlich übermittelten Antrag auf Gegendarstellung nachzukommen, außer "die im Antrag aufgestellten Behauptungen sind sofort falsifizierbar". Im österreichischen Mediengesetz werden im Vergleich dazu mehrere Gründe angeführt, wann von einer Gegendarstellung abgesehen werden kann.

Obwohl sich die Kritik des Verfassungsgerichts hauptsächlich an der "Medienverfassung" entzündete, sorgte international das am 20. Dezember 2010 verabschiedete Gesetz Nr. CLXXXV, das eigentliche Mediengesetz, für noch heftigere Kritik. Es fasste die Regulierung der Medienanbieter im ungarischen Rechtssystem erstmals seit der Wende unter einem Dach zusammen.

Das neue Mediengesetz bildete die rechtliche Grundlage für die Gründung der Medien- und Telekommunikationsbehörde NMHH sowie den ihr angeschlossenen Medienrat, dem die eigentliche Aufsicht der Medienanbieter aufgetragen ist. Der Präsident der NMHH wird vom Ministerpräsidenten für neun Jahre ernannt.

Regierungsnähe

Besondere Kritik übte die ungarische Opposition nicht nur an der Macht von Behörde und Medienrat und der Amtszeitlänge von neun Jahren, sondern auch an dem Umstand, dass derzeit sowohl die Führung der NMHH als auch sämtliche Mitglieder des Medienrates der Regierungspartei Fidesz-MPSZ nahestehen. Präsidentin beider Gremien ist die Fidesz-Medienpolitikerin Annamaria Szalai, der durch eine Verfassungsänderung zudem das Recht eingeräumt wurde, ähnlich wie die Regierung, der Regierungschef oder die Minister Verordnungen zu erlassen.

Den eigentlichen Grund für die internationale Empörung über das Mediengesetz boten indes die Strafbestimmungen in den Paragrafen 185-189. Demnach kann die Medienbehörde bei schwerwiegender und widerholter Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen des Gesetzes "Medien mit bedeutendem Einfluss" (eine von dem Gesetz geschaffene Kategorie für populäre Privatsender) zu Strafen von bis zu 200 Millionen Forint (716.230 Euro) verdonnern (laut Paragraf 187 (3) ba)). Für landesweite Tageszeitungen gilt eine Maximalstrafe von 25 Mio. Forint (91.777 Euro).

Internationale Zeitungen und Organisationen warfen der Regierung vor, dass damit Medien, die "unausgewogen" berichteten, wirtschaftlich in den Ruin getrieben werden könnten. Ungarische Regierungsvertreter verweisen allerdings immer wieder darauf, dass diese Strafe in solchen Fälle gar nicht gelte. Laut Paragraf 181 (5) sind im Fall von "unausgewogener" Berichterstattung nämlich "die in den Paragrafen 186-187 festgelegten Rechtsfolgen (Strafgebühren, zeitlich beschränkte Einstellung des Sendebetriebs u. Ä., Anm.) nicht anzuwenden". (APA)