ModeratorIn: derStandard.at begrüßt den Nordkorea-Experten Rüdiger Frank von der Universität Wien zum Chat. Wir bitten die UserInnen um Fragen.

Rüdiger Frank: Ich begrüße die Standard.at-UserInnen.

ModeratorIn: Userfrage per Posting: Wiedervereinigung? Was mich interessieren würde: Halten Sie eine Wiedervereinigung von Süd- und Nordkorea für möglich? Zumindest mittel- bis langfristig? Einerseits wäre interessant zu wissen, ob es in der Bevölkerung des ge

Rüdiger Frank: Eine Wiedervereinigung wird in beiden Landesteilen grundsätzlich befürwortet, allerdings aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Erwartungen. Im Süden fürchtet man die hohen Kosten. Im Norden verbindet man mit der Wiedervereinigung die quasi magische Lösung aller ökonomischer Probleme. Beiden Koreas gemeinsam ist die nationalistische Motivation. Nicht zuletzt muss Korea auch über seine Position in der Region nachdenken, umgeben von drei großen Ländern. Da würde sich eine Wiedervereinigung auch strategisch positiv auswirken.

ModeratorIn: Userfrage per Posting: Ffür uns ist eine Diskrepanz wie wir die Erlebniswelt der nordkoreanischen Bevölkerung einschätzten sollen, einerseits Massentrauer, andererseits die reale Not und das Elend. Gibt es so etwas wie eine Oposition im Untergrund?

Rüdiger Frank: Massentrauer: Dies ist ein rituelles Verhalten, wie es in nahezu allen Kulturen vorkommt, hier natürlich mit spezifisch nordkoreanischer Ausprägung. Auch wäre es in einer solchen Diktatur ungeschickt, im Beisein anderer Menschen nicht intensivst zu trauern. Es wird echte und weniger echte Gefühle geben, vielleicht auch einfach Angst vor der ungewissen Zukunft. Opposition: Latent vielleicht, manifest nein. Das Potential ist aber auf jeden Fall vorhanden und wächst. Am ehesten wären abweichende Meinungen in der zunehmend selbstbewussten Elite zu erwarten. Religion: Gibt es offiziell, buddhistische Tempel sind auch offensichtlich in Betrieb. Angesichts des religionsartigen Charakters der herrschenden Ideologie ist der Einfluss der Religion auf die Gesamtbevölkerung jedoch eher gering.

UserInnenfrage per Mail: Wie ist Kim Jong-un politisch einzuschätzen? Hat man irgendeine Ahnung?

Rüdiger Frank: Man hat viele Ahnungen, weiß aber sehr wenig. Er ist der dritte Sohn des ältesten Sohnes eines übermächtigen Alleinherrschers. Das sagt schon sehr viel aus, aber für konkretere Aussagen etwa zu seiner politischen Richtung oder Reformorientiertheit ist es einfach noch zu früh.

praktikant 11: Wie sind die Machtverhältnisse in Nordkorea zwischen Militär und Partei verteilt?

Rüdiger Frank: Sehr wichtige Frage. Ich lehne die weit verbreitete Meinung eines Konkurrenzverhältnisses zwischen Militär und Partei nachdrücklich ab. Das Militär ist keine eigenständige politische Kraft, das hätte sich keiner der vorangegangenen Herrscher Nordkoreas leisten können - viel zu riskant. Das Militär ist Instrument des Staates, und dieser wird von der Kim-Familie und zunehmend wieder von der Partei kontrolliert. Die Macht ist also eindeutig auf der Seite der Partei. Die Partei hat übrigens auch Kim Jong-un zum Nachfolger erklärt. Damit spielt sie eine ähnliche Rolle, wie seinerzeit die Kirche bei der Krönung von Kaisern.

UserInnenfrage per Mail: Wie populär ist Kim Jon ils Sohn in der Bevölkerung? Wie bekannt ist er dem gemeinen Nordkoreaner?

Rüdiger Frank: Er ist den meisten Nordkoreanern ebenso unbekannt wie uns, wobei Nordkoreaner natürlich nicht nur die Person Kim Jong-un sehen, sondern auch seine Herkunft.

mman: Die südkoreanische Führung scheint ja vom Tode Kims auch erst aus den Nachricten erfahren zu haben. Denken Sie, dass man wirklich nur so wenige Informationen über Nordkorea hat?

Rüdiger Frank: Das ist eine heikle Frage. Zumindest der CIA hat offen erklärt, dass es schwer bis unmöglich ist Agenten ins Zentrum der Macht Nordkoreas einzuschleusen. Übrigens glaube ich nicht, dass Kim Jong-il erst am 17.12. gestorben ist. Die am Montag veröffentlichten Dokumente - Nachruf, Nachfolgeregelung, Trauerkommittee mit 250 Mitgliedern, Verhaltensweise für die nächsten zwei Wochen - waren so detailliert und haben so viel Diskussionen und Abstimmung erfordert, dass das in 1,5 Tagen kaum zu machen war. Zumal man zu Lebzeiten von Kim Jong-il über derlei Themen nicht reden durfte.

cjkim: S.g. Herr Prof. Frank, den Berichten zufolge wird die Songun-Doktrin zumindest zur Zeit eher in den Hintergrund gestellt. Ist dies hauptsächlich dem Einfluss von China zuzuschreiben? Und hätte China die Macht, ein Marionetten-regime in Nordkorea zu

Rüdiger Frank: Songun ist schon seit mehreren Jahren in den Hintergrund getreten, es wird wieder mehr Chuche betont, also die Ideologie. Das hat auch mit der neugewonnenen Kraft und Bedeutung der Partei zu tun, die einen Höhepunkt im vergangenen September bei der Parteikonferenz erreicht hat. China: Die Macht zur Installation eines Regimes in Nordkorea hat China sicher nicht, aber sehr wohl die Möglichkeit ein neues Regime zu unterstützen und am Leben zu erhalten.

Manilus: Nachdem auf Arirang berichtet wurde, dass 1/3 der Parteimitglieder durch untger 30 jährige sowie etliche mögliche Rivalen Kim-Jong Un´s weggesperrt bzw. hingerichtet wurden, frage ich mich ob es überhaupt noch Zweifel an seiner Machtübernahme geben

Rüdiger Frank: Es ist in der Tat aus nordkoreanischen Publikationen zu entnehmen, dass die Machtübernahme durch Kim Jong-un ernst gemeint ist und umgesetzt werden soll. Die Frage ist nur, ob es auch funktionieren wird, und in welcher Form Kim Jong-un herrschen wird. Ich gehe von einem Kollektiv aus, das entweder im Hintergrund operiert oder sogar offiziell die Macht mit Kim Jong-un teilt. Das wäre das viel diskutierte chinesische Modell, was auch eine gewisse Zukunftsperspektive sowohl für die Existenz Nordkoreas, als auch für eine Lösung der vielfältigen Probleme bieten würde.

UserInnenfrage per Mail: Hatte Kim Jong-un von außerhalb seiner Familie Konkurrenten im Kampf um die Nachfolge seines Vaters?

Rüdiger Frank: Darüber ist mir nichts bekannt.

Manilus: Für wie wahrscheinlich halten Sie einen Militärputsch

Rüdiger Frank: Sofern die Machtübergabe an Kim Jong-un funktioniert, und wenn die Partei sich als fähig erweist für Stabilität zu sorgen, dann halte ich einen Militärputsch für sehr unwahrscheinlich. Ich hatte ja bereits gesagt, dass das Militär keine eigenständige politische Macht ist. Erst im Falle eines völligen Kontrollverlustes wäre es denkbar, dass einzelne ambitionierte Politiker versuchen sich des Militärs zu bedienen.

dieter tafel: Herr Prof, Abgesehen von dem Interesse Chinas, Stabilität in Asien zu bewahren, um so seine eigene Entwicklung sichern zu können, hat Nordkorea irgendeine! strategische(Rohstoffe, geographosche Lage, etc.) Bedeutung für China oder Asien? O der ist

Rüdiger Frank: Nordkorea zählt zu den rohstoffreichsten Ländern in Ostasien, wenn nicht sogar weltweit. Es gibt riesige Vorkommen an Anthrazit, Gold, Magnesit und vielen anderen Metallen. Inzwischen sucht man sogar nach Öl. Die reale Bedeutung Nordkoreas sollte man also nicht unterschätzen, wobei das strategische Motiv für die beteiligten Großmächte sicher noch im Vordergrund steht.

thechief: Die ganze Propaganda rund um den "irren" Führer Nordkoreas. Was ist wahr, bzw was wurde von westlichen Medien frei erfunden, bspw. die größte Pornosammlung, das Video von ihm beim Reiten in Slow-Motion etc.. War Kim Jong Il verrückt oder doch ration

Rüdiger Frank: Er war sicher rational. Ich finde es faszinierend, wie wir oftmals Opfer unserer eigenen Propaganda werden. Ich möchte nicht wissen, was manche unserer eigenen Führer für Geheimnisse im Keller haben. Das soll nicht über die Verbrechen von Kim Jong-il hinwegtäuschen, aber abstrakt gesehen war er ein durchaus rationaler und in einigen Punkten sogar erfolgreicher Politiker.

achilles: ich habe mehrere bücher über nordkorea gelesen u.a. eines über diearbeitslager v. son hok lee. es waren erschütternde berichte, die z.t. noch schlimmer waren als die der kz's im 2.wk. was mich jedoch irritiert hat, daß die autorin sehr viel v.christ

Rüdiger Frank: Das politische System Nordkoreas ist gegenüber abweichenden Meinungen sehr intolerant und geht gegen diese sehr hart vor. Dazu gehört auch die Umerziehung durch Arbeit, wie wir sie auch aus dem China Maos kennen. Das Ausmaß der Lager ist uns unbekannt, es gibt sie aber und die Zahl der dort Festgehaltenen scheint durchaus groß zu sein. Die Weltgemeinschaft schaut zu, weil es wenig zu schauen gibt. Fehlen die Bilder, dann fällt es uns in dieser Mediengesellschaft offenbar schwer, Empathie zu empfinden.

ModeratorIn: Userfrage per Posting: Userfrage per Posting: In österreichischen Medien ist oft zu lesen, dass Nordkorea an Kernwaffen (Atombombe) baut während Millionen hungern, als bestehe da ein Zusammenhang. Nun weiß ich, dass man Uran nicht essen kann, und

Rüdiger Frank: Die Hungersnot, oder besser die chronische Mangelernährung, ist durch eine Kombination von Faktoren bedingt. Dazu gehören: Wenig landwirtschaftliche Anbaufläche, ungünstige klimatische Bedingungen (Temperatureschwankungen, Niederschlag), Mangel an Düngemitteln, Mangel an hochwertigem Saatgut, Mangel an Strom für Wasserpumpen zur Bewässerung, und nicht zuletzt ein ineffizientes wirtschaftliches System, das nicht die richtigen Anreize zu setzen in der Lage ist.

57d5f0b3-d747-4720-be47-f95b3658b00d: Was halten Sie von der These, dass die Kims (mit Ausnahme Kim Il Sungs) mehr oder weniger machtlose Marionetten in den Händen der nordkoreanischen Nomenklatura bzw. "Herrenkaste" sind?

Rüdiger Frank: Die Antwort lautet jein. Marionette geht mir zu weit, aber es ist schon so, dass kein Diktator ohne eine größere Gruppe von Unterstützern operieren kann. Das gilt auch für Nordkorea, so dass man hier durchaus eine implizite Abhängigkeit diagnostizieren kann.

borly: Denken Sie dass der Personenkult um Kim Jong-il auf seinen Sohn übertragen wird?

Rüdiger Frank: Das ist eine interessante Frage. Zunächst möchte ich feststellen, dass bereits der Personenkult um Kim Jong-il deutlich andere Züge angenommen hat, als der um seinen Vater. Es gibt keine Kim Jong-il Denkmäler, keine nach ihm benannten Straßen oder Plätze, keine Abzeichen mit seinem Gesicht und so weiter. Kim Jong-il wurde immer als Nachfolger seines Vaters dargestellt, selten als eigenständiger Führer. Auf den einschlägigen Propagandabildern gibt es eigentlich keinen Platz für Kim Jong-un. In Nordkorea wird das Triumvirat aus Vater Kim Il-sung, Mutter Kim Jong-suk und Sohn Kim Jong-il in vielfältigen Formen verehrt. Inwieweit man Kim Jong-un hier einordnen wird, muss sich noch zeigen.

UserInnenfrage per Mail: wie funktioniert die nordkoreanische propaganda? man sieht zwar immer tv nachrichtensprecher, die propaganda verkünden. aber werden diese dann auch von vielen menschen gesehen? haben die menschen überhaupt tv geräte?

Rüdiger Frank: Zumindest haben die meisten Nordkoreaner Zugang zu einem TV-Gerät, mit dem sie ausschließlich das staatliche Fernsehen empfangen oder DVDs sehen können. Das Fernsehen ist somit ein wirklich mächtiges Medium in Nordkorea. Übrigens gibt es anders als '89 in der DDR kein "Westfernsehen".

Rune Rebellion: Wie medial abgeschottet sind die Einwohner Nordkoreas wirklich? Ist es für einen "Normalbürger" überhaupt möglich in irgendeiner Form nicht staatlich kontrollierte Medien zu rezipieren? Ich habe in den Nachrichten gehört, dass es mittlerweile über 1

Rüdiger Frank: Alternativen zu den staatlichen Medien gibt es vor allem an der Grenze zu China. Bei meinen verschiedenen Besuchen in Nordkorea habe ich aber auch festgestellt, dass vor allem Handyvideos intensiv geschaut und auch ausgetauscht werden. Von daher gibt es durchaus Potential. Wir müssen aber bedenken, dass Handykommunikation meist nur zwischen zwei Personen stattfindet, also keine Wirkung wie etwa Facebook oder Twitter entfalten kann.

UserInnenfrage per Mail: Wie reagieren die Menschen auf Sie bei Ihren Nordkorea-Besuchen? Hat sich die Reaktion der Menschen auf Sie im Laufe der Zeit verändert?

Rüdiger Frank: Durchaus, wobei mir das eher von tagesaktuellen Schwankungen im offiziellen Umgang mit Ausländern zu tun haben scheint, als mit einer kontinuierlichen Entwicklung. In anderen Worten, manchmal ist alles okay und manchmal eben nicht. Je nach Lage.

290646d1-3c13-46d9-9977-d4a7dd47cb8f: S.g. Herr Prof. Frank! Wenn man an Nordkorea denkt, denkt man (dank der "westlichen" Berichterstattung) sofort an Hungersnöte. Da finde ich die Frage sehr interessant, was sich das Volk zu einem doch sehr robust gebauten Führer denkt. Bekommen ihn d

Rüdiger Frank: Dazu habe ich eine Anekdote aus den 1950er Jahren: Ein deutscher Diplomat hat damals eine ähnliche Frage mit Bezug auf den recht beleibten Kim Il-sung gestellt. Die Antwort war damals: Er repräsentiert unser Land, wir sind stolz auf sein gesundes Aussehen. Nun haben sich die Zeiten aber verändert. Die Menschen sind gebildeter und aufgeklärter, und damit auch kritikfähiger. Ich denke nicht, dass der Anblick des gut genährten Kim Jong-un auf einhellige Begeisterung trifft.

rocknroll13: Herr Prof. Gibt es in Nordkorea so etwas wie "Berühmtheiten" neben der politischen Führung. Also Zum Beispiel Kunstschaffende, Literaten, etc.? Und wie wird die Kunst/Kultur an sich gesteuert? Kann man hier vergleiche mit der Kulturrevolution ziehen

Rüdiger Frank: Es gibt durchaus Individuen in Politik, Kunst, Kultur und Sport, die eine gewisse Prominenz erreicht haben. Allerdings betonen sie immer wieder, dass sie dies nur dem Führer zu verdanken hätten. Kim Jong-il hat in seiner Lebenszeit einen Schwerpunkt auf Kulturpolitik gelegt und diese als Instrument zur Umsetzung seiner politischen Ziele gesehen. Eine freie Kunst kann es in Nordkorea gemäß eigener Definition nicht geben. Mehr erfahren Sie aus dem Buch "Exploring North Korean Arts" erschienen im Verlag für moderne Kunst Nürnberg (Herausgeber R.F.)

Manilus: Ich habe gehört, dass bei den Fußballspielen in Nordkorea, die Fans sehr emotional sind und angeblich sogar randalieren, wenn ihrt Team verliert. Sieht man darin nicht erste Anzeichen für die Wut, welche in einigen Bürgern steckt und sich möglichwei

Rüdiger Frank: Hier sehe ich Parallelen zur Frage bezüglich der Trauer. Natürliche sind nordkoreanische Fussballfans Fussballfans, aber sie sind auch Koreaner, die zum öffentlichen Ausdruck ihrer nationalistischen Gefühle aufgefordert sind. Das merkt man besonders bei Spielen gegen Japan oder Südkorea, auch ein Spiel gegen die USA wäre interessant zu beobachten. Hier vermischen sich persönliche Emotionen und staatliche Propaganda. Ein Wutpotential gegen das Regime ist zweifellos vorhanden, die Parallele zum Fussball würde ich aber nicht ziehen wollen.

achilles: wie weit ist die bevölkerung vom wachstum und wohlstand chinas und südkoreas informiert. angeblich gibt es ja schon geschmugelte dvds und usb sticks mit telenovelas etc.. oder traut sich keiner diese zu schauen weil der spitzelapparat überall ist un

Rüdiger Frank: Viele Nordkoreaner wissen das sehr gut. China betreibt eine aktive Informationspolitik gegenüber allen Ebenen der Bevölkerung. Darüber hinaus sind chinesische Unternehmen überall im Land präsent und zeigen sehr deutlich welchen Stand man in China erreicht hat und was es in Nordkorea nicht gibt. Das ist die chinesische Art, den Wandel voran zu treiben. Das funktioniert hervorragend, viel besser als unsere westliche Megafon-Diplomatie.

borly: gibt es die von Bush genannte "Achse des Bösen" wirklich, bzw. welche echten Verbündeten hat Nordkorea?

Rüdiger Frank: Echte Verbündete: Keine.

travelguy: Herr Professor, zur Person Kim-Jong-un; gibt es direkten kommunikativen Zugang von Personen aus dem Westen zu Kim Jong-un? Ist bekannt ob er in irgendeiner Weise mit dem Ausland vernetzt ist oder noch Kontakte in die westliche Welt unterhält? Die Ho

Rüdiger Frank: Diese Hoffnung teile ich, mir liegen aber keine spezifischen Informationen vor.

cjkim: Glauben Sie, dass nun mit dem Tod des im Westen als kurios empfundenen Kim Jong Il das generelle Interesse im Westen an Nordkorea zurückgeht bzw die Medienberichte einen anderen Ton anschlagen werden?

Rüdiger Frank: Vielleicht haben wir ja Glück, und Kim Jong-un wird auch ein wenig skurril.

Karl_Nimmermehr: Werden die verschiedenen "supermenschlichen" Eigenschaften die Kim Il-Sung oder Kim Jong-Il zugeschrieben werden tatsächlich in der Bevölkerung ernst genommen (Naturereignisse bei der Geburt, kein Stuhlgang etc.) oder nur als Märchen die man hinnimm

Rüdiger Frank: Diese Angelegenheit ist ernster, als man glauben möchte. Ich hatte bereits erwähnt, dass die Bevölkerung Nordkoreas heute viel aufgeklärter ist, als noch vor 50 Jahren. Plumpe Propaganda, wie sie bei ungebildeten Bauern funktioniert haben mag, stößt heute an ihre Grenzen. Grundsätzlich ist es allerdings so, dass derartige Aussagen zu übermenschlichen Eigenschaften der Führer oft als symbolisch betrachtet und somit akzeptiert werden.

wiki1: Wie setzt sich der innere Kreis der Macht zusammen, was ist hierüber bekannt? Sind noch ehemalige Partisanen aus Kim-il-Sungs Reihen ("Befreiungskampf gegen die Japaner") am Leben und aktiv oder fand hier unter Kim-jong-il schon ein Generationenwech

Rüdiger Frank: Zur Führungsspitze gehört der Vorsitzende des Parlaments, Kim Yongam (82), ferner der Premierminister Choe Yong-rim, Vizemarschall Ri Yong-ho, ferner die Schwester Kim Jong-ils, Kim Kyong-hee und ihr Mann Jang Song-thaek, und noch viele andere echte oder angeheiratete Familienmitglieder sowie die Nachkommen der ersten Partisanengeneration. Der Generationswechsel wurde großteils vollzogen, einfach aus natürlichen Gründen, und dauert zum Teil noch an. Interessanter wird es, wenn die selbstbewusste dritte Generation an die Macht kommt. Diese könnte weit mehr als die zweite Generation zu neuen Ideen fähig sein.

Adolf Ogi: zum Nuklearprogramm: bis dato ist es ja eigentlich unklar, ob Nordkorea tatsächlich schon eine funktionierende Atombombe entwickelt hat, oder ob das alles nicht ein großer Bluff ist. Der Test 2006 mit einer seismisch gemessenen halben Kilotonne Spre

Rüdiger Frank: Neben seismischen Messungen wurden auch radioaktive Isotope in der Luft nachgewiesen, man kann also durchaus von der Existenz eines Atomprogrammes in Nordkorea ausgehen. Siegfried Hecker, amerikanischer Experte aus Stanford, geht davon aus, dass es eines dritten Atomtests zur Miniaturisierung und zur Herstellung eines nuklearen Sprengkopfes bedarf.

Rigglerobber: Herr Frank, haben Sie Einblicke, wie die Vertreter des Repressionsapparats ticken, die für Zensur und Propaganda zuständig sind - sind das ideologische Überzeugungstäter, die ihre eigene Propaganda glauben oder eher Zyniker, denen es um ihren Machte

Rüdiger Frank: Einer meiner Lieblingswitze zu Nordkorea ist, dass die von uns allen so fieberhaft gesuchte Opposition vermutlich im Propagandaministerium sitzt. Schließlich erscheinen zumindest uns die übertriebenen Darstellungen von nicht vorhandenen Leistungen und Eigenschaften deutlich kontraproduktiv. Aber im Ernst, kein nordkoreanischer Zyniker würde sich im eigenen Interesse als solcher zu erkennen geben.

Nathaniel Winerib: Können Österreich und Europa etwas zur Deeskalation beitragen? Die Ausstellung "Blumen für Kim Il-Sung", die Sie beraten haben, deute ich etwa als kleinen Versuch NK aus der selbstgewählten Rolle des Parias herauszulocken, wenn ich nicht irre.

Rüdiger Frank: Nordkorea und seine Führung haben ein Interesse am wirtschaftlichen Erfolg und der Stabilität. Falls wir uns damit abfinden können, dass es Nordkorea weiterhin gibt, dann wäre Kommunikation und wirtschaftlicher Austausch sicher der richtige Weg. Es bleibt jedoch die moralische Frage des Umganges mit einem Regime, das in keiner Weise unseren Vorstellungen entspricht. Zumindest wäre Europa gut beraten in der derzeitigen Situation Zurückhaltung zu üben. Sobald Reformbewegungen, wie etwa 2002, erkennbar sind, sollten wir diese mit großem Nachdruck unterstützen. Eine verpasste Gelegenheit sollte genügen.

achilles: kann man als gewöhnlicher tourist mit dem zug über china nach nordkorea mit familie (teenager) einreisen. flugangst wie kim jong il - nein. eher angst vor air koryo. dieses land übt eine starke faszination auf uns auf und z.t soll die landschaft übe

Rüdiger Frank: Das sollte kein Problem sein, allerdings benötigen Sie dafür trotzdem eine organisierte Tour. Für westliche Ausländer ist Nordkorea ein sehr sicheres Land. Manchen Touristen ist es sogar ein wenig zu sicher :).

ModeratorIn: derStandard.at bedankt sich bei Rüdiger Frank und den UserInnen. Leider konnten die zahlreichen Fragen nicht alle beantwortet werden. Wir wünschen noch einen schönen Tag.

Rüdiger Frank: Vielen Dank für die interessanten Fragen, danke und bis nächstes Mal. Vielleicht finde ich später Zeit, auf die Kommentare zu reagieren.