Geister und andere Komplikationen: Kristen (Amber Heard) in "The Ward".

Foto: Constantin Film

Wien - Das Besondere am Wahn ist, dass er mit niemandem zu teilen ist. Wer wahnsinnig ist, hält die eigene Welt für die einzig richtige, so lehrt es uns zumindest die Psychologie des Horrorkinos, das es uns gelegentlich erlaubt, in einen Wahn einzutreten, aus dem wir dann auf schreckliche Weise erlöst werden müssen. In John Carpenters The Ward ist die ganze Geschichte auf die Identifikationsfigur Kristen zugeschnitten, die zu Beginn in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wird. Der Film spielt in Oregon in den Sechzigerjahren, das ist jene Periode, an der die amerikanische populäre Kultur im Moment besonders interessiert ist (nicht zufällig taucht hier aus der Serie Mad Men der Schauspieler Jared Harris auf).

Kristen hat ein Problem, das mitten in die Logik des Wahns führt: Sie ist die einzige Vernünftige in einem repressiven Zusammenhang, sie hat nur das Problem, dass niemand auf sie hören will.

Sie begreift sehr schnell, dass sie mit Argumenten nicht weit entkommt, deswegen versucht sie, die anderen Mädchen in ihrer Abteilung zu einem Ausbruch zu bewegen. Diese sind aber fürchterlich eingeschüchtert, weil sie von einem Geist verfolgt werden, der ihnen überall den Weg versperrt.

Kristen hat also eine doppelt komplizierte Aufgabe, sie muss einen Geist austreiben und zugleich die Insassinnen zu Sinnen bringen. Sie erledigt all das mit dem heldenhaften Mut, den im einschlägigen Genrekino die patenten Mädchen aufbringen, die am Ende übrigbleiben werden - aufgehoben entweder für ein Sequel oder für eine Pointe, die sich gewaschen hat.

Dass die Produktionsfirma den Namen des Regisseurs wie eine Trademark in den Filmtitel aufgenommen hat, macht im Falle von The Ward Sinn. Denn John Carpenter hat gleich eine ganze Reihe von Klassikern des schockierenden Kinos gemacht, von Halloween bis They Live. In den letzten Jahren war es aber eher still um ihn geworden, sodass The Ward so etwas wie ein Comeback darstellt.

Die Kunst liegt hier in der Ökonomie der erzählerischen Mittel. Denn eigentlich laufen fast schon zu viele Motive durcheinander: Weibliche Insassen (Female Convicts) wollen nach draußen (Prison-Break), werden dabei aber von einem unheimlichen Angreifer gejagt (Slasher-Movie) und können sich nie ganz sicher sein, ob sie sich das eine oder andere nur einbilden (Psychothriller).

Carpenter integriert das alles durch eine klassische Dramaturgie in der ersten Person Singular: Mit Kristen (gespielt von Amber Heard) sind wir auf Gedeih und Verderb in diesem Film drinnen, also in einer geschlossenen Anstalt, in der die Räumlichkeiten so konstruiert sind, jeden Ausweg in einer Sackgasse enden zu lassen. Die Spannung gewissermaßen aus dem Gebäude selbst entstehen zu lassen, die Oppression zu einem unüberwindlichen Zusammenhang aus Architektur und Projektion werden zu lassen, darin besteht in so einem Fall die Kunst der Horrorfilmregie, von der John Carpenter hier zeigt, dass er sie immer noch beherrscht - Wahnsinn mit Methode, fast wie in den besten alten Zeiten. (Bert Rebhandl, DER STANDARD - Printausgabe, 20. Dezember 2011)