Vier Prophezeiungen eines Bankers in Reaktion auf die Frage vieler Bankkunden nach der Zukunft ihres Geldlebens.

***

Die Eurozone durchlebt derzeit die schwersten Zeiten seit ihrer Gründung. Dennoch ist ihr vermeintlich drohendes Ende völlig unwahrscheinlich. Allerdings gilt es, einen für alle Länder äußerst schmerzhaften Zahlungsausfall großer Euroländer zu vermeiden. Und langfristig bedarf es grundlegender Reformen in praktisch allen Euroländern. Diese Reformen, ob zur Vermeidung eines Zahlungsausfalls oder als gerade noch rechtzeitige Maßnahme zur nachhaltigen Gesundung, wurden beim letzten EU-Gipfel eingeleitet.

Trotz teilweise problematischer Staatsfinanzen ist die Eurozone in Summe in vergleichsweise guter fiskalischer Verfassung. Die Staatsverschuldung 2011 liegt zwar mit 88 Prozent des BIP deutlich über der Maastricht-Grenze von 60 Prozent. Im Vergleich zu anderen Währungsräumen wie den USA (100 Prozent) oder Japan (233 Prozent) ist sie aber noch niedrig. Beim laufenden Budgetdefizit fällt der Vergleich sogar noch vorteilhafter aus: Das der Eurozone liegt 2011 bei 4,1 Prozent des BIP, gegenüber 9,3 Prozent in den USA und 10,3 Prozent in Japan. Leider kann die insgesamt gute Position der Eurozone über gravierende Schwächen und Finanzierungsprobleme einzelner Länder nicht hinwegtäuschen. Deshalb bestimmt dieses Thema unsere Diskussionen.

Im Bekanntenkreis werde ich regelmäßig gefragt, wie man denn jetzt sein Erspartes anlegen sollte. Meine Antwort lautet, dass es am besten ist, das Geld am Konto zu belassen und auf stabilere Zeiten zu warten. Denn die folgenden Argumente sprechen klar gegen die kursierenden Szenarien vom Ende des Euro und dem Beginn hoher Inflationsraten.

1. Eine Umschuldung eines Eurolandes gefährdet nicht den Wert des Euro.

Es stimmt zwar, dass historisch der Zahlungsausfall eines Landes oft auch zu einem massiven Wertverlust der jeweiligen Währung führte - üblicherweise, weil die Notenbank des Landes in einem verzweifelten Versuch, den Staatsbankrott abzuwenden, die Geldmenge gewaltig aufblähte. Für einzelne Länder der Eurozone ist dieser Weg allerdings versperrt. Nur die Eurozone als Ganzes könnte ihre Geldpolitik abändern. Das wäre zwar technisch möglich, ist aber politisch angesichts der starken Abneigung Deutschlands und anderer früherer Hartwährungsländer gegen hohe Inflationsraten sehr unwahrscheinlich. Käme es zum Zahlungsausfall eines Staates in der Eurozone (was meines Erachtens außer im Fall von Griechenland vermeidbar und deshalb unwahrscheinlich ist), wären die Auswirkungen für das Finanzsystem und die Realwirtschaft gravierend, nicht aber für die Preisstabilität. Eher im Gegenteil: Die folgende schwere Rezession und das schrumpfende Kreditwachstum würden den Deflationsdruck stark steigen lassen

2. Ein Auseinanderbrechen der Eurozone ist äußerst unwahrscheinlich.

Die zum Beispiel aus einem Austritt Deutschlands oder einer Aufteilung in Nord- und Südeuro resultierenden Kosten wären für alle Länder prohibitiv hoch, nicht nur aufgrund der starken Exportverflechtung innerhalb der Eurozone. Vor allem würde nach zwölf Jahren forcierter Integration des Euro-Finanzmarktes ein Auseinanderbrechen der Eurozone (samt den resultierenden Wechselkursverwerfungen) zu einer Pleitewelle von Staaten, Banken und Unternehmen und zu einer tiefen globalen Rezession führen. Dennoch könnten einzelne Länder langfristig die Eurozone verlassen, was bei den Verhandlungen über eine Anpassung der EU-Verträge berücksichtigt werden sollte. Andererseits könnten andere, stärkere Länder längerfristig zur Eurozone dazustoßen.

Richtige Strategie

3. Ein Zahlungsausfall eines größeren Eurolandes würde somit den Euro als Währung nicht gefährden.

Die Kosten dafür wären aber für alle anderen Länder so hoch, dass diese alles tun werden, um ihn zu verhindern. Sich politisch über die Mittel dazu zu verständigen, ist nicht leicht - aber sie existieren und werden letztendlich als das kleinere Übel ergriffen werden. Ein wichtiger Grund, warum der "große Befreiungsschlag" (zum Beispiel gemeinsame Eurobonds oder massive Anleihenkäufe durch die Europäische Zentralbank, EZB) bis jetzt noch nicht gesetzt wurde, liegt darin, dass die Kernländer keinen Anreiz für hemmungslose Neuverschuldung setzen wollen.

4. Auch die Anleihenkäufe der EZB gefährden die Preisstabilität des Euro nicht.

Im Prinzip erhöht jeder Anleihenkauf der EZB die Geldmenge, wenn er nicht durch andere Maßnahmen kompensiert wird. Und ein starker Anstieg der Geldmenge erhöht mittelfristig den Inflationsdruck. Derzeit kompensiert die EZB allerdings den überwältigenden Teil dieser Geldschöpfung, indem sie an anderer Stelle bei den Banken wieder Liquidität abschöpft. Die sich abzeichnende Rezession und die verhalte- ne Kreditnachfrage dürften die Zunahme der sogenannten breiten Geldmenge (M3) nach einem zuletzt gezeigten Wachstum von ohnehin nur 2,6 Prozent pro Jahr 2012 wieder gegen null sinken lassen.

Natürlich ist das kein unlimitierter "Freibrief" für die Europäische Zentralbank: Sobald Wirtschaft und Kreditvergabe wieder stark wachsen, muss sie die verfügbare Liquidität einschränken und ihre Anleihenkäufe drosseln. Bis dahin müssen die Peripherieländer also ihre Hausaufgaben gemacht haben und wieder fit für den Markt sein (oder über Eurobonds finanziert werden).

In den nächsten ein bis zwei Jahren dürfte die Situation der EZB aber eher mit der der japanischen Notenbank vergleichbar sein, die seit rund zwei Jahrzehnten massiv Staatsanleihen kauft und für üppige Liquidität im Bankensektor sorgt - ohne dass damit die Inflationsraten signifikant steigen würden.

Langer Weg

Die Instrumente, die Euro-Schuldenkrise zu lösen, ohne ein Land (von Griechenland einmal abgesehen) umschulden zu müssen oder Inflation in Kauf nehmen zu müssen, sind also vorhanden. Das garantiert zwar keine schnelle Lösung der Schuldenkrise - im Gegenteil:

Die finale Lösung, also die Reduktion von Budgetdefiziten und Staatsverschuldung durch Umsetzung von Reformen, braucht viel Zeit und ein hohes Maß an Disziplin der Regierungsverantwortlichen, auf diesem Weg zu bleiben. Aber ich habe keinen Zweifel, dass die Krise letztendlich ohne bleibenden Schaden für den Euro überwunden wird. (Herbert Stepic, DER STANDARD, Printausgabe, 19.12.2011)