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Der "echte" Welthandel erlebt derzeit die längste Durststrecke seit Jahrzehnten, im virtuellen Handel (Foto: Computerspiel Industriegigant) kann es eher Erfolge geben

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Wien - Der Welthandel erlebt derzeit die längste Durststrecke seit der Wirtschaftskrise Anfang der 80er Jahre. Die schlechte Verfassung der Konjunktur, die Furcht vor Terrorismus und die lebensgefährlich Lungenkrankheit Sars lassen darauf schließen, dass das weltweite Handelsvolumen heuer das dritte Jahr in Folge weniger als 3 Prozent wachsen wird. Die Entwicklung des Welthandels verläuft jedoch regional sehr unterschiedlich, geht aus einem Bericht der Welthandelsorganisation WTO hervor. Während sich die USA, Asien und Osteuropa als treibende Kräfte erweisen, hinken Westeuropa und Lateinamerika nach.

Im Jahr 2000 hatte der Welthandel noch ein Rekordwachstum von 12 Prozent verzeichnet. Mit einem Minus von 1 Prozent registrierte der Welthandel 2001 dann erstmals seit rund 20 Jahren einen Rückgang, mit nur zögerlichen Erholungstendenzen in den Jahren danach. Eine solche Flaute gab es zuletzt zwischen 1980 und 1983. In den 90er Jahren legte der Handel im Schnitt um 6,7 Prozent pro Jahr zu. Treiber für die Verbesserung 2002 mit einem Wachstum von 2,5 Prozent waren die starke Nachfrage in den USA und die größeren asiatischen Volkswirtschaften. Ökonomen warnen daher nicht unbegründet vor einem Wachstumseinbruch in Asien durch Sars.

China verdrängt Großbritannien

Nach Angaben der Welthandelsorganisation stieg der Güterexport 2002 auf der ganzen Welt nominal um 4 Prozent (real um 2,5 Prozent) auf 6.240 Mrd. Dollar (5.299 Mrd. Euro). Der Handel mit Dienstleistungen entwickelte sich etwas dynamischer und kletterte wertmäßig um 5 Prozent auf den neuen Rekordwert von 1.540 Mrd. Dollar.

Ein starkes Handelswachstum registrierte die WTO vor allem dort, wo auch das Wirtschaftswachstum am höchsten war: in China, in Ostasien, in den osteuropäischen Reformländern und in den USA. China, das der WTO Ende 2001 beigetreten ist, verdrängte Großbritannien vom fünften Platz der größten Handelsnationen. An der Spitze stehen die USA gefolgt von Deutschland, Japan und Frankreich.

Regionale Unterschiede

Die regionale Entwicklung des Warenhandels zeigt beim Volumen deutliche Unterschiede: Während etwa China und Indien sowie die osteuropäischen Länder bei den Ausfuhren und Einfuhren mit zum Teil zweistelligen Zuwachsraten wieder an Schwung zulegten, drifteten die USA und Japan mit gegenteiligen Entwicklungen weiter ab. Nippons Importe und die Exporte der USA schrumpften, während die japanischen Ausfuhren und die amerikanischen Einfuhren einen leichten Aufwärtstrend aufwiesen.

Bei beiden Wirtschaftsmächten dürfte diese Diskrepanz im wesentlichen eine Folge des gewählten wirtschaftpolitischen Kurses der amtierenden Regierung sein, so die "Neue Zürcher Zeitung" in einer Analyse. In Japan sei zudem ein strukturelle Verschiebung in Außenhandel festzustellen: Eine enorme Intensivierung des Warenverkehrs mit China hat inzwischen die USA als wichtigsten Handelspartner auf Rang 2 verdrängt.

Stagnation in Westeuropa

In Westeuropa stagnierte der Handel dagegen fast völlig: Der Export stieg dort real um 0,6 Prozent, der Import sank um 0,5 Prozent. In Lateinamerika war die Situation freilich noch schlimmer: Die Importe gingen um mehr als 5 Prozent zurück, was vor allem auf die Finanzkrise in Argentinien und die politischen Unruhen in Venezuela zurückzuführen ist.

Über der weiteren Entwicklung des Welthandels lastet nach wie vor große Unsicherheit, so die WTO. Der Zuwachs des Warenhandels im Vorjahr erfolgte vor allem in den ersten beiden Quartalen, dem gegen Jahresende eine deutliche Abflachung folgte. Der nominale Trend des Handels mit Waren und Dienstleistungen wird zudem durch währungstechnische Gründe überzeichnet: Nachdem die Referenzwährung, der amerikanische Dollar, zwischen 1995 und 2001 um durchschnittlich fast 20 Prozent "aufgewertet" worden war, erfolgte 2002 eine Abschwächung gegenüber anderen wichtigen Währungen in der Größenordnung von 5 Prozent, analysierte die "Zürcher". Und diese Umkehr führe ganz natürlich zu gewissen statistischen Verzerrungen.

Die Experten der WTO erwarten, dass sich 2003 das Wachstum des Welthandelsvolumens zwischen 2 und 3 Prozent bewegen wird. Unsicherheiten lösen wirtschaftliche Faktoren aus wie auch das wankelmütige Vertrauen der Akteure in die Zukunft, die unverändert bestehende Gefahr des internationalen Terrorismus und die steigenden geopolitischen Spannungen.(APA)