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Schauspieler Mathieu Carrière konnte seine Töchter jahrelang nicht sehen. Die Mütter verweigerten den Kontakt. Den Kampf um die Kinder gestaltete er als künstlerische Aktion.

Foto: AP/CHRISTOF STACHE

Gefällig ist es nicht, was man auf der Homepage von Mathieu Carrière zu sehen bekommt: Als dunkler Kapuzenmann steht der Schauspieler vor dem Berliner Reichstag und hält brennende Kinderpuppen in den Händen.

"Klar, das ist schon heftig", sagt Carrière zum Standard. "Aber wenn man nicht mit drastischen Mitteln auf die Not der Kinder aufmerksam macht, dann geschieht nichts. Außerdem bin ich Performancekünstler, es macht auch Spaß, auf diese Art für Gerechtigkeit zu kämpfen."

Carrière selbst hat zwar mittlerweile erreicht, was vielen anderen Vätern unehelicher Kinder vorenthalten ist: Er kann seine Töchter Alice und Elena regelmäßig sehen. Alice in den USA ist ohnehin jetzt erwachsen. Doch auch das Verhältnis zur 15-jährigen Elena in Venedig hat sich verbessert.

Zwei Kinder von zwei Müttern, und beide Male passierte Carrière das Gleiche: Die Mütter verweigerten ihm nach der Trennung den Kontakt zum Kind. "Das ist wie ein chronischer Tod, das kann keiner nachvollziehen, der es nicht erlebt hat", sagt der 62-Jährige.

Er kämpfte sich durch alle gerichtlichen Instanzen, verlor "viel Geld und viel Lebenskraft". Und er beschloss, "den Kindern eine Stimme zu geben". Denn Carrière ist überzeugt: "Die Kinder, die einen Elternteil nicht sehen dürfen, leiden bei Konflikttrennungen genauso wie der betroffene Elternteil. In 89 Prozent der Fälle sind das die Väter."

2006 lässt er sich, nur mit Lendenschurz bekleidet, vor dem Justizministerium in Berlin an ein großes Holzkreuz binden, um auf die seiner Ansicht nach mangelnden Rechte von Vätern unehelicher Kinder aufmerksam zu machen. Die Aktion bringt viel Aufmerksamkeit, doch Carrière zahlt dafür auch einen hohen Preis: "Dafür, dass ich meinen Arsch so aus dem Fenster gehängt hatte, bekam ich zwei, drei Jahre in Deutschland keine Arbeit mehr." Im Jänner 2011 schließlich landet er im RTL-Dschungelcamp.

Dennoch will er weiterkämpfen, wenngleich das deutsche Verfassungsgericht im Sommer 2010 ein wegweisendes Urteil gefällt hat. Dieses räumt mit der Praxis auf, dass das gemeinsame Sorgerecht beider Eltern für ein uneheliches Kind von der Zustimmung der Mutter abhängt. Künftig kann sie den Vater nicht mehr ausschließen. Tut sie es dennoch, hat das Gericht die Möglichkeit, die gemeinsame Obsorge anzuordnen. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", findet Carrière, "aber bis wir wirklich Gleichberechtigung erlangt haben, wird es noch viele Jahre dauern. Es muss erst in die Köpfe viele Menschen, dass ein Kind das Anrecht auf beide Elternteile hat."

Postkarten mit den brennenden Puppen schickte er übrigens an alle 620 Bundestagsabgeordneten mit der Bitte, ihn in seinem Kampf zu unterstützen. Geantwortet hat kein Einziger. Carrière versucht es gelassen hinzunehmen: "Dafür bin ich Ehrenpräsident im Staat der entrechteten Kinder." (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.12.2011)