"Nur kein technischer Firlefanz" für das Musical! Regisseur Werner Sobotka und Choreograf Ramesh Nair zeigen ab Samstag ihre Volksopernversion eines Römer-Musicals.

Foto: Standard/Robert Newald

Wien - Schon das Redeverhältnis von Werner Sobotka und Ramesh Nair beim Interview (circa 7:1) macht deutlich: Sobotka ist der, der dieser künstlerischen Langzeitbeziehung das Heft in der Hand hat. Und tatsächlich skizziert er seine Arbeitsweise auch wie folgt: "Ich bin zentralistisch. Ich bin der, der sagt, wie Bühnenbild und Kostüme aussehen, wie Choreografie und Musikarrangement ausschauen. Aber: Ich will gleichzeitig Leute um mich haben, die sich nicht hemmen lassen, permanent Ideen einzubringen."

An der Zusammenarbeit mit Nair schätzt der 46-Jährige Unaufgeregtheit und Vertrautheit: "Er weiß, worauf ich allergisch bin, worauf ich steh'. Das vereinfacht vieles." Und die Jahre haben das Gründungsmitglied der Hektiker auch milder gemacht: "Das Gute ist ja auch, dass ich dadurch, dass ich schon so alt bin und so viel gemacht habe, nicht mehr das Problem habe, zu glauben, Autorität einzubüßen, wenn ein anderer sich in mein Reich einmischt."

Zuarbeiter im zentralistischen Regiereich Sobotkas zu sein - hat der Choreograf und Sänger Nair damit nie Probleme gehabt? Der 36-Jährige, den man auch aus der Handywerbung kennt, verneint glaubhaft. "Für mich ist es schön zu sehen, wie sich unsere Zusammenarbeit entwickelt hat, speziell in den letzten zwei Jahren, wo wir auf gleiche Augenhöhe gekommen sind. Ich bin mittlerweile viel entspannter, was meine Kreativität fördert. Und die Sache ist ja auch so: Werner weiß, was er sagt. Einmal hat er bei einer Choreografie gemeint, dass man noch etwas mit den Armen dazu machen muss. Ich hab mich gewehrt, wie ich jedoch drüber nachgedacht habe, war klar: Er hat recht. Da muss noch ein Arm hin!"

Fast schon ein Veteran der Musicalregie, hat Sobotka Sondheims A Funny Thing Happened on the Way to the Forum, so der Originaltitel, schon einmal inszeniert, vor 20 Jahren, im wuzikleinen Graumann-Theater. In die laufende Produktion stieg damals ein gewisser Christoph Wagner-Trenkwitz ein: Der aktuelle Dramaturg der Volksoper spielte den Senex, Michael Niavarani die Hauptrolle (Pseudolus). Nun gibt diese Partie Volksoperndirektor Robert Meyer, dessen schauspielerischem Genie Sobotka ("ein Geschenk" !) und Nair ("der Wahnsinn!!" ) Rosen streuen.

Über Sondheims erstes Musical gerät Sobotka ebenfalls ins Schwärmen: "Das Buch galt ja bis Anfang der 1980er als das lustigste Musical. Es basiert auf den Komödien des Plautus, und die sind ja die Vorlagen für alle Menschen, die je etwas Komödiantisches geschrieben haben, von Molière und Feydeau bis hinauf zu Neil Simon und Billy Wilder." Und auch die Musik bietet mit ihrer knallbunten, parodistisch gemeinten Mischung aus Fantasy-Folklore, Ben-Hur-Bombast und Herz-Schmerz-Schmalz einige Abwechslung.

Überforderte Pianisten

"Wenn man als junger Musical-Darsteller von der Akademie abgeht, bekommt man gesagt: Bei der Audition sing' keinen Sondheim!" , verrät Nair. Weil zu schwer, zu anspruchsvoll? "Genau. Die meisten Pianisten sind damit überfordert."

War die Spanne von den 1960er- bis zu den 1980er-Jahren die Hochzeit des Musicals? Und warum funktioniert Musical in Wien nicht so wirklich? "Ich bin kein Freund der Meinung, dass früher war alles besser war. Ich bin aber auch nicht der Meinung, dass wir jetzt alles besser machen" , meint Sobotka. "Fakt ist: Die Tradition bei uns ist eine andere, Musical wird hier nie den Stellenwert haben, den es in Amerika hat. Und auch die wirtschaftlichen Umstände sind anders. In Amerika hast du, selbst als großer Star, Wochenverträge. Und es kann dir am Anfang der Woche passieren, dass du erfährst, dass du am Ende der Woche arbeitslos sein wirst. Und arbeitslos sein heißt dort aber: aus. Also nicht in die Arbeitslose gehen, sondern kellnern gehen." Hier unterschreibe "keiner bei einer großen Produktion ohne einen 14-Monats-Vertrag, und dann muss man sowas halt durchziehen, egal ob's ein Erfolg ist oder nicht. Aber von der Presse über die Politik bis zu den Zuschauern fragen sich alle, ob man noch bei Verstand ist, bei leerem Haus weiterzuspielen. Durch solche Verhältnisse wird die Experimentierfreude wahnsinnig gehemmt."

Seine Philosophie für Musical-Inszenierungen? "Kein technischer Firlefanz, nicht den durch Fernsehen, Video und Internet geprägten Sehgewohnheiten hinterher hecheln, sondern nah ans Publikum rangehen, auf Charme, auf Atmosphäre setzen."

Wenn man die Operette als die leichtlebige, beschwipste Cousine der Oper sieht, ist dann das Musical die kaugummikauende, überdrehte Tochter der Operette? "Die zwei sind eher gar nicht verwandt" , so Sobotka, "Musical kommt eher vom Vaudeville und vom Varieté." Nair: "Im Fach Musicalgeschichte sieht man das Musical schon als Weiterentwicklung der Operette, aber meine Meinung ist das auch nicht. Das Loch zwischen beiden Genres ist schon riesengroß." Die Volksoper hüpft seit einem halben Jahrhundert mit Leichtigkeit und Freude darüber. (Stefan Ender, DER STANDARD - Printausgabe, 17./18. Dezember 2011)