Wien - Auf die allergeschmeidigste, musikalische Weise wird der Kinoheld am Beginn von Mission: Impossible 4 - Phantom Protokoll reaktiviert: Für Ethan Hunt, zum vierten Mal verkörpert von Tom Cruise, öffnen sich ferngesteuert die Eisengittertüren eines Moskauer Gefängnis-Hochsicherheitstraktes. Vor, hinter und neben ihm tauschen buchstäblich schwere Jungs mit dem Wachpersonal Tätlichkeiten aus, Hunt fightet sich derweil zu Dean Martins Ain't That A Kick In The Head lässig in die Freiheit.
Für die Zuspielung des Songs über die Gefängnistonanlage ist sein Teamkollege und Computerspezialist Benji verantwortlich - der britische Komödiant Simon Pegg (Shaun of The Dead u. a.) ist in dieser Rolle ein großer Gewinn. Ausgeklügelte Techniknutzung, wie bei klassischen Spionage- und Weltverschwörungsstoffen üblich, ist auch in MI4 ein unverzichtbarer Bestandteil:
Ein altertümliches eisernes Wählscheibentelefon entpuppt sich als Hightech-Kommunikationstool (das sich nach fünf Sekunden selbst zerstört). Über Kontaktlinsen läuft Gesichtserkennungssoftware. In einem Aktenkoffer ist ein Miniaturprinter versteckt, der geheime Dokumente druckfrisch einlegt.
Wenigstens einmal versteht man beim Zuschauen plötzlich das leidige Vorgehen der Securitys, die im Auftrag des Verleihers vor dem Einlass in den Kinosaal Mobiltelefone und unschuldige MP3-Player der Kritiker beschlagnahmen mussten: Wenn nicht einmal mehr das Sicherheitspersonal im Kreml der zeitgenössischen Hochtechnologie gewachsen ist, dann heißt es vorsichtig sein.
Besagte Szene im Kreml ist eines der beiläufigen Highlights im Film: Schauplatz ist ein nüchterner Korridor, an einem Ende sitzt ein Aufseher, ihm gegenüber prangt eine üppig goldene Skulptur. Ein Ablenkungsmanöver ermöglicht Hunt und Benji den Einzug einer Projektionswand - eine gerechnete Simulation des realen Raumes wiegt den Wächter dann vorübergehend in Sicherheit. Das erzählt nicht nur gewitzt vom Tarnen und Täuschen, der wesentlichen Praxis der Agenten. Es reflektiert auch noch die hinter allem liegenden Illusionierungstechniken des (3-D-)Kinos.
Echter Animationsfilmheld
Inszeniert hat diesen Teil der 1996 gezündeten Mission: Impossible -Filmserie Brad Bird - der preisgekrönte Regisseur von Ratatouille und anderen Animationsfilmen. Jemanden, der bisher immer ungeachtet der Koordinaten einer äußeren Realität seine beziehungsreichen Erzählungen entwerfen konnte, mit MI4 zu betrauen, macht Sinn. Die Action-Choreografien, Kickbox-Tänze und Materialschlachten behalten bis zum Ende eine relative Leichtigkeit - die wiederum hätte man dem verbissenen Hardbody Cruise, der nach zuletzt mäßigen Erfolgen ja auch für seine Karriere kämpft, gar nicht zugetraut.
Spektakuläre Pyrotechnik kommt eher reduziert zum Einsatz (die Sprengung des Kremls, die in weiterer Folge eine russische Atomrakete gen USA fliegen lässt, wird visuell verhältnismäßig wenig ausgeschlachtet). Die klassische Betonung von Körper und Gerät tut dem Film gut. Lange kann man die genretypischen Implausibilitäten - und das Produktplatzierungs-Stakkato - dabei ein wenig ausblenden.
Neben Autos, Handys oder Tablet-Computern müssen auch noch möglichst viele fotogene Realschauplätze ins Bild. Gerade die gigantomanische Repräsentationsarchitektur von Dubai und die übermenschlichen Fähigkeiten des Helden ergänzen einander aufs Trefflichste, und sinnvollerweise müsste Mission: Impossible 4 ebendort auch enden.
Dann könnte man das Kino nach gut 100 Minuten mit einem guten Gefühl verlassen, nach 133 hat sich diese Mission dann aber als unmöglich erwiesen. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2011)