Der Imperator hat in Krakau, St. Petersburg und Evian die Hilfsvölker teils belobigt, teils verhalten gezüchtigt. An Ruhestörer auf dem ganzen Globus richtete er die Botschaft: Ändert euch oder es ergeht euch wie dem Irak. Dann reiste er ans Rote Meer weiter, um das imperiale Dictum zu verkünden: Der Imperator hat es satt, den ineinander verbissenen Völkern auf dem Gebiet des alten Palästina zuzusehen. Er will Ruhe dort und verkündete den lokalen Stammesfürsten seine Wünsche: Die einen sollen mit dem Terror aufhören und dafür ihren eigenen Staat "als zusammenhängendes Gebiet" bekommen, die anderen sollen mit den Besiedlungen zumindest aufhören.

George W. Bush, der prototypische "stupid white man" (wenn man die Terminologie des US-Satirikers Michael Moore übernimmt), hat seine ganze Autorität in die Waagschale gelegt, um endlich eine Lösung im Nahen Osten herbeizuführen. Das kann natürlich scheitern, aber noch nie hat ein US-Präsident, der sich an diesem Problem versuchte, über solche Machtfülle verfügt - und über einen solchen imperialen Willen, den Beteiligten seinen Willen aufzuzwingen. Bush ist kein "Vermittler" wie Clinton 1993-1999 oder wie Jimmy Carter vor 25 Jahren. Er ist ein siegreicher Feldherr, der mit einem Krieg und der Besetzung eines Schlüssellandes die strategische Situation im Nahen Osten verändert hat.

Für den Fall, dass hier ein Missverständnis aufkommt: Dies ist keine Lobpreisung, sondern die Feststellung einer Realität. Die USA sind nicht nur die beherrschende Macht der Erde, sondern sie haben jetzt eine Führungsschicht, die das eisenhart in Politik umzusetzen gedenkt. Man kann sogar argumentieren, dass in Washington jetzt nicht Konservative, sondern Radikale regieren. Leute, die den Sozialstaat bewusst in den Bankrott treiben wollen (durch aberwitzige Steuersenkungen), die Politik auf der Basis eines fundamentalistischen Glaubens machen und die jedenfalls die Spielregeln der internationalen Politik radikal verändert haben.

Dies beginnt auch den Hilfsvölkern in Europa zu dämmern, und die Debatte regt sich langsam, ob und was man da tun könnte. Im römischen Imperium hießen die Hilfsvölker "Auxilien" und dienten den Legionen als leichte Reiterei oder Bogenschützen. Die Hilfsvölker heute versuchen gerade, sich zu einem überstaatlichen Gebilde zusammenzuschließen, das wirtschaftlich sehr erfolgreich ist, aber militärisch kaum Gewicht hat und vor allem nur unter großen Mühen eine gemeinsame Politik nach außen zustande bringt. Der so genannte Konvent der EU ist der Versuch, so etwas zu schaffen. So ziemlich alle Kenner der Materie sind sich einig: Das geht nur, wenn Mehrheitsentscheidungen eingeführt werden, also wenn EU-Mitglieder überstimmt werden können. Nur dann ist eine halbwegs rasche und klare Willensbildung möglich.

Die EU braucht eine solche Reform auch für sich selbst - wenn sie nächstes Jahr 25 Mitglieder hat. Aber es ist kein Geheimnis mehr, dass nach den Erfahrungen der bisherigen Bush-Jahre viele in Europa - und nicht nur Chirac und Schröder - überlegen, wie man sich von den USA emanzipieren könnte. Das heißt nicht, dass aus alten Verbündeten nun Feinde würden - aber die Auxilien wollen selbstständig agieren können (wobei etliche, wie die Polen, nicht zwischen USA und Europa wählen und beides haben wollen).

Die Debatte darüber hat in Europa gerade erst begonnen. Sie ist notwendig, auch wenn dieser US-Präsident durch einen weniger imperialen ersetzt wird. hans.rauscher@derStandard.at (DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2003)