Ariel Muzicant lässt nichts unversucht, um seine Israelitische Kultusgemeinde (IKG) vor dem finanziellen Aus zu bewahren. Da bezichtigt er Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, mit antisemitischen Ressentiments ("abgetakelte Mossad-Agenten") in Vieraugengesprächen zu argumentieren, oder er hängt ein Transparent mit Davidstern und der Aufschrift "Wegen Schüssel geschlossen" an die Fassade des Stadttempels. So macht man sich keine Freunde. Das braucht ihn nicht zu stören. Freunde waren Schüssel und er soundso nie - eher das Gegenteil. Und mit Diplomatie und Freundlichkeit ist der IKG-Präsident auch nicht weitergekommen. Er hat also in dem Streit nichts zu verlieren. Außer seine Gemeinde.

Denn Tatsache ist: Die IKG steckt in einer ernsten Finanzkrise. Mitarbeitern droht die Kündigung, die Gottesdienste und der Religionsunterricht müssen eingeschränkt werden. Ab 1. Juli regiert der Sparstift. Die Antwort der Regierung fällt zynisch aus: Man bietet eine "Übergangshilfe" an. Drei Jahre könnte die Gemeinde auf Pump leben, dann muss sie die rund zwei Millionen Euro zurückzahlen. Zinsenlos, wie gnädig.

Ist das ein korrekter Umgang in einem Land wie Österreich? Zu versuchen, etwaige Restitutionszahlungen an die Gemeinde mit einem Regierungskredit gegenzuverrechnen, ist perfide. Was ist, wenn diese Zahlungen geringer als der Kredit sind? Muss die IKG die Differenz dann zurückzahlen, auch wenn das Geld nicht reichen sollte? Dass Gestohlenes zurückgegeben werden soll, ist selbstverständlich. Die Verpflichtung des Staates, das Überleben der Gemeinde zu sichern, geht aber darüber hinaus. Dazu ist ein substanzieller Beitrag nötig. Die Vorgangsweise der Regierung scheint jedoch klar: Mit der "Kreditvariante" wäre das Problem vertagt - die Sache in die Länge gezogen. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2003)