Foto: Verlag Schimer/Mosel
Als er Nadja Auermanns Kehle aufschlitzte, zeigte sich das deutsche Supermodel gar nicht begeistert. Selbst als Computerbild wollte sie unbefleckt erscheinen. Und von Jean-Baptiste Mondinos digitalen Manipulationen verschont bleiben. Dabei sehen bei Mondino selbst malträtierte Körper noch makellos schön aus: Wer sich vor das Kameraauge des französischen Fotografen und Pop-Trendsetters wagt, der kann sich sicher sein: Das eigene Bildnis wird zum farbenfrohen Sinnbild in einer von munter flottierenden Bedeutungen prallvollen Welt. Mondino ist der barocke Schalk unter den Fotografen. Er legt das Gemächt von Anzugträgern frei und schnürt seinen Models strenge Korsetts um die dicke Taille, er fotografiert Adam-Variationen und entdeckt immer neue Toms of Finland - ungeachtet dessen, dass er damit nicht unbedingt der Erste ist. Es ist schlicht das Reservoir der Popkultur, aus dem sich Mondino wie kein Zweiter bedient. Er, der sich einst als "totaler 80er-Jahre-Typ" bezeichnete, auch wenn er in den Neunzigern ungebrochen Erfolg hatte, zelebriert Oberflächen, indem er sie zu Zeichen formt - für jeden lesbare Zeichen wohlgemerkt. Mondino-Fotos "versteht" jeder auf den ersten Blick. Weswegen seine Bildnisse auch in der ambitionieren Kunstszene nie wirklich eine Rolle spielten. Trotzdem: Auch den neuen Fotoband Mondinos blättert man wieder mit dem gleichen Vergnügen durch wie seinerzeit "Déjà Vu", die erste "Beauty, fashion and sex"-Monografie des Foto-, Video- und Werbekünstlers. Die bizarren Momente sind diesmal etwas in den Hintergrund gerückt, der schwarze Humor ist wieder allgegenwärtig. Verstörend? Nicht wirklich. Lustfördernd aber allemal. (DER STANDARD/rondo/hil/06/06/03)