Bawag-Investor Wolfgang Flöttl wäre beinahe ohne weiteres Verfahren davongekommen. 2012 wird er mit sechs weiteren Ex-Bawag-Akteuren erneut vor dem Richter stehen.

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Die zuständige Staatsanwältin wollte die Causa Bawag weitgehend einstellen, die Oberstaatsanwaltschaft hat das verhindert. Nun gibt es sieben Anklagen - und weitere offene Bawag-Ermittlungen wie Refco und Stiefelkönig.

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Wien - Geht ausnahmsweise alles nach Plan der Justiz, so gibt es im kommenden Frühling die Neuauflage des Bawag-Prozesses. Sieben Angeklagte werden vor Strafrichter Christian Böhm stehen bzw. sitzen; alle Verurteilten aus dem ersten Verfahren, bis auf die Ex-Bankchefs Helmut Elsner und Johann Zwettler.

Wäre es nach den Plänen der mit der Causa Bawag betrauten Staatsanwältin gegangen, gäbe es dieses Verfahren allerdings nicht. Sie wollte die Causa "weitgehend einstellen", wie dem Standard aus Ministeriumskreisen bestätigt wurde. Wäre es tatsächlich so gekommen, hätte die Staatsanwaltschaft Wien die Anklagen etwa gegen die sogenannten "kleinen Vorstände" (Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker), aber auch gegen den Spekulanten Wolfgang Flöttl zurückgelegt. So sah es der Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Wien, der via Oberstaatsanwaltschaft Wien ans Justizministerium geht, jedenfalls vor.

Die Oberstaatsanwaltschaft hat die Rechtsansichten der Anklägerin aber offenbar nicht geteilt. Sie dürfte den Vorhabensbericht kräftig überarbeitet und dann erst ans Justizministerium unter Beatrix Karl weitergeleitet haben. Selbiges hat diesem Vorhabensbericht mitsamt den sieben Anklagen seinen Sanktus erteilt, bestätigen Juristen aus dem Ministerium.

Notwendig ist der zweite Bawag-Prozess, weil der Oberste Gerichtshof (OGH) wesentliche Teile des Ersturteils, das aus der Feder der nachmaligen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner stammt, gekippt hat. Die Formalkritik kurz zusammengefasst: Das Urteil widerspreche sich in wichtigen Punkten selbst, zudem führten falsche Rechtsansichten zu sogenannten Feststellungsmängeln. Wie man es profan ausdrücken könnte: Das erste Verfahren wurde zwar nicht schlecht geführt, und die dabei erhobenen Beweise passen - aber das Urteil war schlecht geschrieben.

Die Meinung der Oberstaatsanwaltschaft Wien dazu, so ein Sprecher: "Das Ersturteil hat zwar formale Mängel, aber die Beweissituation ist klar. Wir konzentrieren und straffen das Verfahren, um Schuldsprüche im Sinne der Anklage zu bekommen." Und: Man hoffe, dass der zweite Prozess nicht so lange dauern wird wie der erste (ein Jahr; Anm.).

Offene Bawag-Verfahren

Was die Straffung betrifft, wird sich Bawag II um vier Punkte drehen: die Investments der damaligen Gewerkschaftsbank in Hapenny (250 Mio. Dollar für Flöttls Yen-Deals), Ophelia I (Betriebsmittelkredit; 80 Mio. Dollar), Capper (20 Mio. Euro; damit wurde Flöttls Jet finanziert, den zuvor die Meinl-Bank kreditiert hatte) und die Unibonds (rund 400 Mio. Euro). All das Geld floss an Flöttl-Gesellschaften; er wollte damit Verluste ausbessern - was allerdings nicht gelungen ist, wie die Geschichte beweisen sollte.

Inwieweit die neuerlich Angeklagten in diese Kreditvergaben involviert waren und sich allenfalls strafbar gemacht haben (sie weisen die Vorwürfe zurück, und es gilt die Unschuldsvermutung), das soll sich in Bawag II herausstellen. Neben den "kleinen Vorständen" ist auch Ex-Bawag-Aufsichtsratschef und Ex-ÖGB-Finanzchef Günter Weninger angeklagt. Ihm werden zudem, wie auch Wirtschaftsprüfer Robert Reiter, Bilanzdelikte vorgeworfen. Auch Peter Nakowitz, der als Handlanger Elsners galt, muss sich für Capper und Unibonds verantworten. Grund für die Nichtverfolgung Elsners (Höchststrafe von zehn Jahren; haftuntauglich) und Zwettlers (fünf Jahre; haftuntauglich): Beide würden im Fall weiterer Verurteilungen keine Zusatzstrafe bekommen.

Offene Bawag-Causen gibt es aber auch noch abseits von Bawag II. Erinnert sei an die Ermittlungen zum Bawag-Blitzkredit an Refco (350 Mio. Euro) im Oktober 2005 oder an Stiefelkönig. Dabei geht es um 100 Mio. Euro und Hypothekennachlässe, die die Bank bei ihrem Einstieg ins Schuhhaus 2003 den Ex-Eignern gewährt hatte. Beide Causen liegen bei der Staatsanwaltschaft; ein Stiefelkönig-Gutachten steht noch aus. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.12.2011)