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Sojabohnenschoten: Auch nach Österreich soll falsches Bio-Soja geliefert worden sein

Foto: dpa/Patrick Seeger

Wien/Rom - Im Wiener Gesundheitsministerium warten die Behörden immer noch auf Nachricht aus Italien: "Wir haben bisher keine detaillierten Lieferlisten", berichtet Fabian Fußeis, Sprecher von Minister Alois Stöger auch am Mittwoch. Damit ist immer noch unklar, wohin die "mehrere Hundert Tonnen" Soja sowie ein wenig Raps, die in Italien als "Bio" -Produkte gefälscht wurden, nach Österreich geliefert wurden. Zwei "weiterverarbeitende Betriebe" sollen die Adressaten gewesen sein. Die Waren sollen nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht gesundheitsschädlich sein.

"Wir sind uns sicher, dass in den letzten Jahren kein Soja von den verdächtigten italienischen Betrieben an einen unserer Partnerbetriebe geliefert wurde" , betont hingegen Rudi Vierbauch, Obmann des heimischen Bio-Austria-Verbands, dem rund zwei Drittel aller österreichischer Biobauern angehören.

Denn die Bio-Austria-Bauern hätten sich in Selbstverpflichtung mehrfach gegen derartige Praktiken abgesichert, wie Vierbauch im Standard-Gespräch erläutert. "Unseren Landwirten waren die entsprechenden EU-Verordnungen noch zu wenig."

So sei es nach EU-Recht beispielsweise möglich, dass ein einzelner Landwirt nur einen Teil seiner Flächen biologisch bewirtschaftet und den Rest konventionell. "Das akzeptieren unsere Betriebe nicht."

Strenge Demeter-Richtlinien

Gleiches gilt etwa auch für Demeter-Bauern, die ebenfalls strengeren Richtlinien als jenen der EU folgen. Auch Demeter-Betriebe müssen komplett umgestellt sein - und zwar auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise. Hier ist überdies nicht nur 100 Prozent Biofutter Pflicht: Mindestens 80 Prozent der Futterration für die Wiederkäuer und mindestens 50 Prozent des gesamten Tierfutters müssen Demeter-Qualität haben. 50 Prozent des Futters muss vom eigenen Hof stammen.

Eine Besonderheit der Bio-Austria-Richtlinie ist auch die "Chargenzertifizierung" . Nach EU-Recht reicht es, wenn der Verkäufer, bei dem ein Produkt wie etwa Futtermittel bezogen wird, eine Biozertifizierung vorweisen kann. "Bei unserer Zertifizierung muss der gesamte Chargenbaum bis hin zum Hersteller nachvollziehbar und zertifiziert sein. Die ganze Linie muss den Bio-Austria-Richtlinien entsprechen" , erklärt Vierbauch.

"Unser Qualitätsstandard schreibt die Verwendung Bio- Austria-zertifizierter Futtermittel aus Österreich vor" , ergänzt Daniela Schietz von der Bio-Austria-Qualitätssicherung. "Nur wenn der Bedarf in Österreich nicht gedeckt werden kann, wird unter Auflagen Futtermittel aus dem Ausland zugekauft."

"Eine solche chargenbezogene Zertifizierung ist für ganz Europa notwendig" , fordert nun Vierbauch. "Diese Maßnahme wäre eher imstande, Vorfälle wie nun in Italien zu verhindern. Wenn jemand betrügerisch handelt, kann das kaum je zu 100Prozent verhindert werden. Aber das Kontrollnetz muss so gut sein, dass ein Betrug nicht möglich ist - oder zumindest sehr schnell auffliegen muss."

Die Bio-Austria-Bauern selbst werden "mindestens einmal pro Jahr von privatrechtlichen, staatlich autorisierten Organisationen kontrolliert" , so Vierbauch weiter. "Die Kontrollen werden vorher nicht angemeldet und sind sehr umfangreich." So muss der Bauer etwa Aufzeichnungen über sämtliche zugekaufte Produkte vorlegen können, aus denen Herkunft, Händler und Zertifikate ersichtlich sein müssen. Es werden weiters die Produktionsabläufe begutachtet, die Äcker und die Ställe besichtigt.

Betrug im großen Stil

Jetzt bleibt es abzuwarten, wo die mehreren Hundert Tonnen gefälschtes Biosoja nun tatsächlich in Österreich gelandet sind. Der Großbetrug war in der vergangenen Woche aufgeflogen: Die Polizei beschlagnahmte in Verona 2500 Tonnen falsch deklarierter Lebensmittel, sieben Personen wurden festgenommen. Insgesamt sollen seit 2007 Produkte wie Mehl, Soja, Obst und Trockenfrüchte im Wert von 220 Millionen Euro mit falscher Biokennzeichnung verkauft worden sein. Von den falschen Biolebensmitteln sind wahrscheinlich auch einige Hundert Tonnen nach Deutschland gelangt. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 15.12.2011)