Matthias Schweighöfer kämpft in "Rubbeldiekatz" als Alexandra nicht nur mit den Tücken weiblicher Attribute.

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Regisseur Detlev Buck.

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Michael Pekler sprach mit dem Regisseur über "Tootsie", Hitlerdarsteller und die Zukunft der deutschen Filmkomödie.

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Für den Jungschauspieler Alexander (Matthias Schweighöfer), der sich in einem kleinen Berliner Theater verdingt, kommt ein Angebot gerade recht: die Hollywood-Großproduktion eines Nazifilms. Dass dafür nur eine Frauenrolle besetzt wird, stellt kein Hindernis dar, denn unter Anleitung seines großen Bruders und Managers (Detlev Buck) wird Alexander flugs zu Alexandra. Es kommt, was in der Travestiekomödie kommen muss: Nicht nur dass sich der neue Star in die Hauptdarstellerin (Alexandra Maria Lara) verliebt, es steht ihm auch sein BdM-Kostüm so gut, dass er bald die Liebe des falschen Führers auf sich zieht.

STANDARD: "Rubbeldiekatz" ist eine Mischung aus romantischer Komödie, Buddy-Movie und Travestiefilm. Wie haben Sie die unterschiedlichen Elemente gewichtet?

Buck: Für mich muss eine Komödie nicht nur bestimmte Erwartungshaltungen erfüllen, sondern auch durch eine neue Form überraschen. In Rubbeldiekatz gehen diese unterschiedlichen Formen von Komik fließend ineinander über: Zu Beginn ist man noch im Buddy-Movie, dann in der Travestie, und am Ende gewinnt das romantische Element die Oberhand. Aber davor haue ich die Romantik noch einmal zusammen. In dieser Hinsicht ist das der künstlichste Film, den ich je gemacht habe.

STANDARD: Auf der US-Komödien-Bestenliste des American Film Institute führen mit "Some Like it Hot" und "Tootsie" zwei Travestiefilme. Vor allem um den Vergleich mit "Tootsie" kommt man nicht herum: Auch Dustin Hoffman verliebt sich in seine Schauspielkollegin.

Buck: Tootsie ist eindeutig in die Jahre gekommen. Nicht nur wegen der Mode und Frisuren, sondern vor allem aufgrund seiner Langsamkeit und der Art, wie er die emanzipierte Frau darstellt. Billy Wilder legt da ein ganz anderes Tempo an den Tag und ist schon dadurch, dass er seine Handlung zur Zeit der Prohibition ansiedelt, in gewissem Sinn klassisch.

STANDARD: Birgt ein Anknüpfen an filmische Vorbilder gerade in der Travestiekomödie nicht die Gefahr des gesellschaftspolitischen Anachronismus?

Buck: Natürlich, weshalb ich auch innerhalb der Travestie etwas Neues ausprobiert habe. Ich mische die verschiedenen Perspektiven und versuche die bekannten Abläufe aufzubrechen. Das romantische Pärchen zum Beispiel schicke ich zu Beginn gleich einmal ins Bett, während die Brüder zur selben Zeit ihre homophilen Erfahrungen machen.

STANDARD: Es gibt diese spezifische Verbindung von Travestie und Nationalsozialismus im Kino, von Hawks' "I Was A Male War Bride" bis zu Ruzowitzkys "All the Queen's Men". Sean Penn spielt derzeit in "Cheyenne" einen Rockstar mit Lippenstift und Wuschelperücke, der nach einem ehemaligen KZ-Wärter sucht.

Buck: Der Film-im-Film ist zu einem gewissen Teil auch meine persönliche Verarbeitung von Aimée und Jaguar. Die Geschichte vom jüdischen Mädchen, das sich in eine BdM-Führerin verliebt, ist ja an sich unmöglich, aber gleichzeitig unglaublich stark. Der US-Regisseur in Rubbeldiekatz sucht für seinen Nazifilm die perfekte "nordische" Frau. Die Nazis - Frauen und Männer - haben alles Mögliche für sich ausgebeutet, darunter auch die Mythologisierung des Nordischen. Und sie wussten sich natürlich geschickt der sexuellen Ausstrahlung zu bedienen - gerade in der Kleidung und in den Uniformen. Dieser Fetischisierung sind sie bewusst nachgegangen. Aber auch hier komme ich immer wieder auf die Gegenwart zurück, etwa wenn die Cheerleader bei der Eishockeyszene ebenfalls eine Art von BdM-Choreografie zeigen.

STANDARD: Die Figur des US-Regisseurs ist eine Anspielung auf ein historisch völlig unbedarftes Hollywoodkino. Ist das nicht ein ähnlich vorgefertigtes Bild wie jenes, das der Regisseur von Nazi-Deutschland hat?

Buck: Der kann echte Titten nicht von falschen unterscheiden. Er hat jedoch diese große Leidenschaft, weshalb Joachim Meyerhoff vom Burgtheater für die Rolle gerade recht kam, der ja auch nur groß spielen kann. Auf Hollywood bezogen stimmt es aber wirklich: Die können alles, aber nicht Echtes von Falschem unterscheiden.

STANDARD: Nicht nur Hollywood interessiert sich wieder für den Nationalsozialismus. In "Rubbeldiekatz" leidet der Hitler-Darsteller unter inflationärem Einsatz.

Buck: Deshalb bringt er schon seinen Text durcheinander und verliebt sich falsch. Ich spiele mit dem Hitler-Klischee, aber ich konterkariere es, etwa wenn er mit seiner Rose in Alexanders Hinterhof steht wie Orson Welles, und die Zithermusik kommt wie in Der Dritte Mann. Er ist die tragische Figur des Films.

STANDARD: Martin Wuttke, Tarantinos Hitler in "Inglourious Basterds", hat unlängst gemeint, dass Hitler immer schon komisch gewesen sei.

Buck: Das war auch Chaplins Absicht, als er 1940 den Großen Diktator gedreht hat - Hitler als einen von Minderwertigkeitskomplexen geprägten Mann darzustellen. Die große Hitler-Rede haben wir am Originalschauplatz im Olympiastadion gefilmt. Das hat mich bereits als Filmstudent interessiert: Dorthin zu fahren, wo Hitler mal war. Dann bin ich dort gestanden und dachte: "Das gibt es ja gar nicht, hier also hat dieser Quatsch stattgefunden."

STANDARD: Alexander spielt zu Beginn im Theater "Charleys Tante", er meint: "Die Zukunft in Deutschland ist das Alter. Da züchte ich mir ein Stammpublikum heran." Gilt das auch für Filmkomödien?

Buck: Ja. Aber es ist beruhigend zu wissen, dass dann wieder mehr ältere Leute ins Kino gehen. (Michael Pekler, DER STANDARD - Printausgabe, 14. Dezember 2011)