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Google TV soll es im zweiten Anlauf in die Wohnzimmer schaffen

Foto: Reuters

Der offizielle US-Start von Google TV liegt über ein Jahr zurück und die schlechte Kritik sowie die schwachen Verkäufe ließen vermuten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das Produkt wieder eingestampft wird. Spätestens seit dem Software-Update, dem Youtube-Ausbau, der Öffnung des Android Stores und der Ankündigung, dass "bis Sommer 2012" die "meisten neuen Fernseher" mit Google TV ausgestattet werden sollen, ist aber klar, dass man nicht ans Aufgeben denkt.

Eroberungen und Misserfolge eines Softwaregiganten

Ihre Suchmaschine ist seit Bestehen die meistgenutzte der Welt, ihnen gehört das Videoportal Youtube, das Unternehmen herrscht mit dem Betriebssystem Android über den Mobiltelefonmarkt, der Webbrowser Chrome konnte seinen Markanteil innerhalb des vergangenen Jahres verdoppeln und somit Mozillas Firefox überholen. Wo im Netz neue Ideen, Software oder Plattformen erfolgreich zum Einsatz kommen, dürfen wir mittlerweile ein Mitbewerberprodukt aus dem Hause des kalifornischen Internetdienstleisters erwarten. Beerdigte Projekte wie Google Wave, Video, Answers oder Buzz zeigen aber, dass nicht alles was Google anfasst, auch zu Gold wird. Offen ist, ob Chrome OS, der angehende Datenfriedhof Google+ oder eben auch Google TV ein Teil dieses Kreises werden.

Was ist Google TV?

Google TV ist eine auf Android basierende Software-Plattform, die eine Verschmelzung zwischen Fernsehen und Internet schafft. Um Google TV nutzen zu können ist eine Breitbandinternetverbindung sowie ein dafür konzipierter HDTV-Fernseher oder ein Zusatzgerät wie eine Set-Top Box oder ein Blu-Ray-Player notwendig.

Wenn es via HDMI-Kabel angeschlossen und entweder gebunden oder über WLAN ans Netz gehängt ist, schafft Google TV eine Oberfläche, die ein neues Erlebnis und vor allem frische Möglichkeiten bei der Suche nach bewegten Inhalten bietet. So können aktuelle oder kommende Sendungen, Filme oder Streamingdienste via Texteingabe gesucht und direkt abgespielt werden. Dabei sollen auch keine Grenzen zwischen TV- und Webinhalten gesetzt werden. Eine neue Youtube-Oberfläche ermöglicht ein schnelles Abspielen von Playlisten oder abonnierten Kanälen. Neben den Standardzugriffen auf Fotos in bestehenden Picasa-Webalben, bietet der mittlerweile für die Plattform geöffnete Android Marktplatz eine Vielzahl an weiteren Features und vom Smartphone bekannte Apps, die künftig auch von der Couch aus direkt am Fernseher zugänglich sein werden. Für ein bequemes Navigieren liegen aktuellen Geräten spezielle Fernbedienungen und teils Tastaturen bei - alternativ stehen entsprechende Apps für iOS und Android bereit damit auch Smartphone und Tablet für diesen Zweck verwendet werden können.

Mehr Videos zu den weiteren Features gibt es hier.

Wann kommt Google TV nach Europa?

Bisher sind Sony und Logitech die einzigen, die in den USA erste Produkte am Markt haben. Samsung und LG haben allerdings bereits bestätigt, dass sie Google TV-Geräte im Rahmen der Consumer Electronic Show (CES) kommenden Jänner in Las Vegas vorstellen werden.

Der Start war hierzulande ursprünglich für Ende 2011 angesetzt, wurde allerdings aufgrund des bisher schwachen Erfolgs verschoben. Logitech ist aus Frust über den langsamen, verlustreichen Starts mittlerweile als Partner ausgestiegen, die verbleibenden Hersteller dürfen sich laut dem Aufsichtsratsvorsitzenden Eric Schmidt auf einen Marktantritt Anfang 2012 vorbereiten.

Alternativen

Während sich eine große Anzahl Hersteller noch immer verkrampft an dem vermeintlichen, wieder einmal "großen Ding" - 3D - festhält, wird hier auf Apps gesetzt. Bereits jetzt schon gibt es von Anbietern aktueller TV-Geräte eine Auswahl an vorinstallierten, an das Internet gebundenen Applikationen. Etablieren konnte sich bislang allerdings noch kein Angebot so recht. Auch Apple TV kann bis dato nur bedingt überzeugen, wenngleich das letzte Update der Software-Plattform iOS zumindest ein paar nützliche Funktionen wie das Spiegeln des iPhone bzw. iPad-Screens mit sich brachte. Ein ähnliches Produkt, welches auch hierzulande erhältlich ist, ist die Boxee Box - siehe WebStandard-Test.

Die größten Konkurrenten im kommenden Jahr könnten allerdings die Big Player am Heimkonsolenmarkt - also Microsoft und Sony - werden. Die aktuelle Generation bestehend aus Xbox 360 und PlayStation 3 verfügt bereits heute über zahlreiche Multimedia-Features und auch die Partneranzahl hinsichtlich Videodiensten nimmt laufend zu. Die Nachfolger werden für Ende 2012 erwartet und wenn man eines von den kommenden Videospielekonsolen erwarten dürfen, dann ist es zudem ein solider Browser. Stellt sich dann die Frage, ob Besitzer dieser Geräte überhaupt die Anschaffung einer zusätzlichen Set-Top Box oder gar eines neuen Fernsehers nur für Google TV in Erwägung ziehen.

Schwächen und Preis

Noch ist die Anzahl an Herstellern, die eine entsprechende Hardware oder gar Fernseher mit eingebautem Google TV anbieten will, gering. Die TV-Branche zeigt sich darüber hinaus wenig begeistert von der Idee und sieht Google in erster Linie als ungewollten Konkurrenten an.

Ein weiterer Grund für das bisherige Scheitern von Google TV abseits von der bislang noch nicht ausgereiften Oberfläche war der Startpreis der Endgeräte. Es bleibt abzuwarten, welche Zusatzhardware den Markt erreicht und zu welchem Preis sie erworben werden kann. Die aktuelle Verschleuderung der bestehenden Hardware aus dem Hause Logitech lässt vermuten, dass eine Standardausführung für rund 100 Dollar bzw. Euro erhältlich sein wird. Mehr dazu im Jänner von der CES.

Große Chancen

Das Angebot bleibt schlussendlich nur so gut wie die Anzahl und Qualität der Partner, die bereit sind auf den Zug aufzuspringen. Vor allem die Gerätehersteller zeigen sich aktuell überaus positiv gestimmt und erwarten sich eine große Entwicklung im kommenden Jahr. Der Erfolg von Android am Smartphone-Markt und auch die Verbreitung von Tablets kommen dem Konzept sicherlich zugute und versprechen zumindest in der Theorie ein ernstzunehmendes Nutzerpotenzial.

In der Runde seine Lieblings-Youtube-Videos austauschen, einen Film während des Ansehens auf Facebook "liken", Musik-Playlisten abspielen, das Fotoalbum vom letzten Urlaub präsentieren oder schlichtweg einen vollwertigen, schnellen (Flash-fähigen) Browser beispielsweise für eine spontane Suche oder Onlineshopping zu nutzen - all das ohne den Computer aufdrehen zu müssen. Wenn man sich dann auch noch vor Augen hält, dass dies neben der Kernkompetenz - dem besseren Navigieren zwischen bzw. dem Auffinden von Inhalten - geboten wird, so klingt das nach einem durchaus attraktiven Paket.

Teletext 2.0

Wer bereits jetzt schon vor dem Fernseher einmal schnell zu einem Touchscreen-Gerät greift, um nebenbei seine E-Mails abzurufen, einen Tweet zu senden, den Wetterbericht nachzuschlagen oder vielleicht etwas zum gerade laufenden Fußballspiel nachlesen möchte, der hätte künftig neben all den beschriebenen Multimedia-Features - plump gesagt - eine grenzenlos scheinende Hightech-Variante des fast schon in Vergessenheit geratenen Teletexts zur Verfügung stehen. Bleibt nur noch abzuwarten, ob Google seine Vision durchsetzen kann. (Martin Pauer, derStandard.at, 14.12.2011)