Die Entscheidung war klar. Schon während im Fernsehen die Doku lief, während reihenweise Hähnchen durch die Schlitzmaschinen liefen, Schweine im Akkord geschlachtet, Küken mit einem Wisch ins Weg befördert wurden. Die Entscheidung war: wenn Fleisch, dann nur noch Bio und wenn Bio, dann nur noch aus einigermaßen vernünftiger Haltung.

Es dauerte nicht lange, da saß ich mal wieder beim Vietnamesen und bestellt wie immer die Pho, mit Huhn. Da schwamm es dann, grau gescheibt, in der Brühe. Und ich ekelte mich ganz genau drei Sekunden lang und dann wollte ich es auch nicht stehen lassen und dann war ich wieder bei den alten Gewohnheiten. Gerade heute wieder: Köttbullar in der Kantine. Und die Gemüsepasta bleibt daneben stehen.

Gewissensbisse

Bei jedem Bissen Gewissensbisse? Ja. Immer mehr jedenfalls. Obwohl auch immer mehr Menschen sagen: Das sind Probleme für Besserverdiener. Stimmt vielleicht. Es gibt jedenfalls einen Grund, weshalb das Kilo Rind beim Discounter nur 1,99 kostet. Weil es nachgefragt wird. Zurück zum Sonntagsbraten, sagen dagegen Ernährungsberater, also lieber weniger und dafür besser.

Vegetarier rechnen vor, warum die Herstellung eines Kilos Fleisch auch ein ökologisches Desaster ist. Mindestens sieben Kilo Getreide werden dafür benötigt. Tausende Liter Wasser. Eine Fläche, so groß wie Österreich braucht es, um die Tiere zu halten, die auf Deutschlands Tellern enden. Fast ein Fünftel des Welt-CO2-Ausstoßes kommt aus der Tierhaltung. Und, und, und. Vor allem die Massentierhaltung ist es, die industrielle (und wahrlich unethische) Schlachtindustrie, die selbst der Chefredakteur des Fleisch-Magazins "Beef" als "perverseste Form der Lebensmittelindustrie, die Massentierhaltung" geißelt.

Jeder Bissen gegen das Gewissen. Und jeder Bissen ein Stück Gewohnheit. Es ist ja nicht so, als hätten wir die schrecklichen Bilder noch nie gesehen. Als hätten wir noch nie was gehört von Antibiotika, Dioxin und Gammel-Skandalen. Als käme uns der Preis nicht aberwitzig billig vor. Zu billig für gute Lebensmittel. Und trotzdem greifen die meisten von uns zu. Im Supermarkt und in der Kantine. Im Restaurant oder im Imbiss.

Auf die Würze kommt es an

Vielleicht müssen wir zurück zu einer Kultur, in der wir das Produkt würdigen. Vegan-Koch Björn Moschinski sagt: "Fleisch ist Geschmacksträger, wie Fett. Auf die Würze kommt es an, auf die Verarbeitung." Das ließe sich mit Gemüse genauso spannend gestalten. Mag sein. Aber vielleicht erinnern wir uns mal wieder daran, was wir wirklich können - oder konnten. Super Brot backen (ok, das ist ein anderes Kapitel). Super Bier brauen (das findet man noch hier und dort). Und super Würste herstellen. Auch die gibt's noch. Und weisen den Weg: Auf ein Spezialitätentum, das hoffentlich viel mit Geschmack zu tun hat, mit einer guten Herstellung und einer würdigen Haltung der Tiere. (Wolf-Christian Ulrich, derStandard.at, 14.12.2011)