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Ein rumänischer Bauer auf seiner Gurkenernte: Italienische Bio-Zertifizierer sollen konventionellen rumänischen Betrieben die Bio-Kennzeichnung verkauft haben.

Foto: EPA/ROBERT GHEMENT

Wien/Rom/Bukarest - Wenn die Zahlen stimmen, dann ist es der wohl größte Betrug mit Biolebensmitteln aller Zeiten: 700.000 Tonnen Lebensmittel sollen von einer italienischen Firma fälschlich als Bio zertifiziert und in Europa verkauft worden sein. Wert: 220 Millionen Euro - etwa ein Fünftel des österreichischen Jahresumsatzes mit Bioprodukten. Überrascht hat das die Branche nicht.

"Es gab seit Jahren das Gerücht, dass italienische Bio-Zertifizierungsstellen nicht sauber arbeiten und rumänischen Betrieben Bio-Zertifikate für Anbauflächen ausstellen, die gar nicht existieren", sagt Ralph Liebig, Geschäftsführer des internationalen Verbands des Biofachhandels. "Das war eine Zeitbombe, die irgendwann hochgehen musste."

Bezahlung nach Größe

Die Zertifikate gelten als Schwachstelle der Branche: Sie werden von privaten Unternehmen vergeben, die staatlich autorisiert sind, Betriebe EU-weit für biologisch zu erklären. Bezahlt werden sie von jenen Produzenten, die sie kontrollieren sollen. Bezahlt wird nach der Größe der kontrollierten Fläche.

Zwar versuchen auch die Großhändler, stichprobenartig zu kontrollieren - sie sind aber zum Großteil darauf angewiesen, dass sie sich auf die Zertifizierer verlassen können.

Österreich wartet auf Daten

Ob von der falsch deklarierten Ware auch etwas in Österreich gelandet ist, weiß derzeit noch niemand: Man warte noch auf Daten der italienischen Behörden, heißt es im Gesundheitsministerium. Etwa drei Viertel aller Produkte, die in österreichischen Biogeschäften verkauft werden, stammen aus dem Ausland.

Der Markt mit falsch ausgewiesenen oder gefälschten Lebensmitteln ist ein Milliardengeschäft, das in den vergangenen Jahren massiv gewachsen ist, heißt es bei Europol: Das Risiko ist gering, der Ertrag enorm. 1000 Dollar würden, in die Lebensmittelfälschung investiert, wesentlich höhere Profite abwerfen als etwa im Drogenhandel.

"Rattendreck bis Schwermetalle"

Am selben Tag, an dem der Skandal in Italien aufflog, beschlagnahmte Europol gemeinsam mit lokalen Behörden 13.000 Flaschen minderwertiges Olivenöl, 12.000 Flaschen Wein, 30 Tonnen gefälschte Tomatensauce und 30.000 Schokoriegel. Ob die Ware auch gesundheitsschädlich ist, wird noch getestet - "wir haben aber schon alles Mögliche in Lebensmitteln gefunden, vom Rattendreck über Schwermetalle", sagt ein Europolsprecher.

Gefälscht wird jede Art von Lebensmittel, beliebt sind hochpreisige Produkte wie vermeintlich hochwertiges Olivenöl, teurer Käse oder Kaviar. Die Banden sind weltweit aktiv, oft arbeiten mehrere Gruppen zusammen. Die gefälschten Lebensmittel kommen häufig aus Asien, aber auch aus europäischen Ländern.

Die Fälscher versuchen, die Lebensmittel in die legale Verteilerkette einzuschleusen. Sie landen also nicht nur in dubiosen Internet-Shops, sondern auch in Supermärkten und Restaurants. Eine wichtige Warnung für Konsumenten sei der Preis, heißt es bei Europol: "Wenn mir jemand Parmesan für fünf Euro das Kilo anbietet, dann stimmt etwas nicht." (Tobias Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 13.12.2011)