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Archivbild: Der Papst bei einem Besuch in Kamerun im Jahr 2009.

Foto: EPA/CIRO FUSCO

Den Satz würde man in seiner undiplomatischen Direktheit in einem vatikanischen Dokument nicht erwarten. Im seinem apostolischen Schreiben, das der Papst höchstpersönlich im November in Afrika ablieferte, heißt es in der Passage über die Bischöfe genau an der Stelle, wo er an die Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri appelliert, wörtlich: „Vergeudet eure menschlichen und pastoralen Kräfte nicht in der unnützen Suche nach Antworten auf Fragen, die nicht in eure direkte Zuständigkeit fallen..." (vgl Africae Munus 102). Im gleichen Atemzug werden die Bischöfe vor Nationalismus und „der Verabsolutierung der afrikanischen Kultur" gewarnt. In diesem Absatz formuliert Benedikt ein bisschen kraut- und rübenartig. Betreffend seine Auffassung von Leitung ist er jedoch ungeschminkt eindeutig. Unnütze Vergeudung! - Kann man die Ablehnung des Engagements seiner Mitarbeiter noch uneleganter ausdrücken? 

Nur vordergründig sieht dieses Dokument nach einer unaufgeregten Neuauflage des Afrika-Schreibens von Johannes Paul II. aus, das dieser 1995 veröffentlicht hat (Ecclesia in Africa). Zunächst liest es sich als großer Appell für die Menschenrechte (inklusive der Frauenrechte!), für den Frieden, für gerechte politische und wirtschaftliche Verhältnisse und für den Respekt vor der afrikanischen Kultur. Alles wunderbar.

Bei genauem Hinsehen setzt Benedikt die Unterschiede aber schon beim Absender des Briefes. Firmierte sein Vorgänger schlicht als Papst, sendet Benedikt unter „seine Heiligkeit". (Merke: wenn jemand etwas, worauf sein Vorgänger verzichtet hat, wieder einführt, will er damit etwas Besonderes ausdrücken!)

Baute Johannes Paul die Kirchenkonzeption von unten auf - beginnend bei den „lebendigen Kirchengemeinden" mit den Laien, entwickelt Benedikt „die Glieder der Kirche" von oben herunter. (Merke: Eine vorgegebene Gliederung wird nie zufällig geändert). Für die Hirten schreibt der amtierende Papst vier Mal mehr Text als Johannes Paul und verpasst ihnen dabei die oben beschriebenen Scheuklappen. Kurzformel: Mitdenken unerwünscht! In etwas missglückter poetischer Sprache formuliert er: „Ein Bischof muss ein in Christus Verliebter sein." Um dann ganz unpoetisch von der „Ausübung der Jurisdiktionsgewalt" zu sprechen. Johannes Paul war ohne dieses Wortungetüm ausgekommen. 

Benedikt XVI. setzt aber nicht nur bei Interna andere Akzente als der polnische Papst. Zur besonderen Enttäuschung wird der Abschnitt über „die traditionellen afrikanischen Religionen". Ist das Schreiben zunächst - Johannes Paul folgend - von großem Respekt für die afrikanische Kultur geprägt, ortet Benedikt aber „einen gewissen Aufschwung" in Sachen „Hexerei", die er wörtlich auch als „Plage" bezeichnet - eine hetzerische Terminologie, die sich nach der historischen Schuld der Kirche zu diesem Thema verbietet. Statt eine gediegene Analyse zu liefern, wo er in diesen Religionen Förderliches findet und wo er für Menschen abträgliches ortet, empfiehlt er lediglich, die Kirche könnte (er bleibt tatsächlich im Konjunktiv) „gewisse Elemente der traditionellen afrikanischen Kulturen, die mit der Lehre Christi übereinstimmen, in einer theologischen Studie untersuchen." Das hat freilich schon Johannes Paul verlangt. Damals wurde der klare Wunsch ausgesprochen, „die Bischofskonferenzen mögen, was die Fragen Ehe, Ahnenverehrung und Geisterwelt betrifft, in Zusammenarbeit mit den Universitäten und den katholischen Instituten Studienkommissionen ins Leben rufen, um alle kulturellen Aspekte der Probleme gründlich zu untersuchen, die sich unter theologischem, sakramentalem, rituellem und kirchenrechtlichem Gesichtspunkt stellen." Das hat noch nach einer möglichen Versöhnung der Religionen geklungen. Da fragt man sich: Was ist eigentlich in den letzten 16 Jahren verplempert worden? Liegt es an den Bremsern im Vatikan - oder haben die afrikanischen Bischöfe ihre pastoralen Kräfte in der unnützen Suche nach Antworten auf andere Fragen vergeudet, die gar nicht in ihre direkte Zuständigkeit fallen?

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Der derzeitige Papst hat bisher lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe Stellung genommen. Zu den Vorgängen innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig. (derStandard.at, 12.12.2011)