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Kein seltener Anblick in Riga: Kunden der Krajbanka leerten Ende November ihre Konten.

Foto: Reuters/Ints Kalnins

Kurz vor Ende des EU-Hilfsprogramms für Lettland bringt ein Bankensturm den Staat erneut in Turbulenzen. 10.000 Letten haben ihre Konten bei der Swedbank geleert. Gerüchte reichten, um Panik zu verbreiten.

Wien/Riga – Die Bilder und Videos, die im Internet kursieren, wecken böse Erinnerungen. Zum dritten Mal seit Ausbruch der Krise 2008 erlebte Lettland einen Bankenansturm, bei dem tausende Kunden abrupt ihre Konten leer räumten. In der lettischen Hauptstadt Riga und anderen Gemeinden des Landes bildeten sich Sonntagabend und Montagmorgen lange Schlangen vor den Bankomaten der Swedbank.

Auslöser des Andrangs waren via Twitter und SMS verbreitete Meldungen über eine Schieflage des schwedischen Geldhauses. Im Internet kursierten Gerüchte, wonach sich das Institut aus den baltischen Ländern zurückziehen würde und kein Geld mehr ausgeben werde. Dem wollten viele zuvorkommen: Bis Montagmittag haben 10.000 Letten umgerechnet 14,2 Mio. Euro von der Swedbank abgehoben. Auch vor Automaten der SEB, einer weiteren in Lettland aktiven schwedischen Großbank, bildeten sich Schlangen. Die Swedbank sprach in einer Mitteilung von "völlig falschen" Gerüchten. Die lettische Regierung leitete Ermittlungen ein.

Serie von Bankpleiten

Der Vorfall kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Am 22. Dezember läuft das Hilfsprogramm der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Lettland aus. Für viele in der Kommission ist das baltische Land ein Vorbild dafür, dass die Sparstrategien in Griechenland, Portugal und Irland funktionieren können. Die Turbulenzen am Finanzsektor trüben jedoch dieses Bild.

In Lettland läuft seit drei Jahren ein EU/IWF-Notprogramm. Im Herbst 2008 musste Parex, die zweitgrößte Bank des Landes, notverstaatlicht werden. Der Kapitalbedarf des Kreditinstitutes drohte die Regierung zu überfordern, weshalb Riga um Hilfe bat.

Neben den Problemen bei Parex, kämpfte Lettland mit einer nicht wettbewerbsfähigen Industrie und einem gewaltigen Leistungsbilanzdefizit. In so einer Situation wertet ein Land üblicherweise seine Währung ab, wodurch sich die Ausfuhren schlagartig verbilligen und sich der Staat aus der Krise exportieren kann.

Doch aufgrund des Widerstands der Europäischen Zentralbank und der lettischen Regierung, entschied man sich für eine andere Strategie. Lettland behielt die Koppelung seiner Währung Lats an den Euro bei und begann als erster Staat in Europa eine interne Abwertung.

Dabei geht es darum, das Land durch Einsparungen und Lohnkürzungen wettbewerbsfähiger zu machen und das Defizit zu senken. In einer beispiellosen Sparwelle wurden Gehälter gekürzt, 23.000 Beamte entlassen und zwei Drittel der Spitäler dichtgemacht.

Der Erfolg der Strategie wird unterschiedlich bewertet. Nach einem Haushaltsdefizit von mehr als zehn Prozent im Jahr 2008 will Lettland seine Neuverschuldung 2012 unter die Drei-Prozent-Marke drücken. Das Land exportierte im Vorjahr wie geplant mehr als es importierte. Verantwortlich dafür war zwar einerseits der Einbruch im Inlandskonsum. Andererseits zogen aber die Exporte, insbesondere in der Holzindustrie (plus 140 Prozent), markant an.

Die sozialen Kosten des Programmes waren freilich enorm. Der lettische Ökonom Mihails Hazans geht davon aus, dass 200.000 Letten, fast zehn Prozent der Bevölkerung, das Land verlassen haben. Das Washingtoner Center for Economic and Policy Research (CEPR) rechnete unlängst vor, dass Lettland die interne Abwertung 24 Prozent seiner Wirtschaftsleistung gekostet hat. Die Arbeitslosigkeit hat sich mit rund 16 Prozent mehr als verdreifacht. CEPR verglich den Fall Lettlands mit anderen Krisenstaaten in Osteuropa und Lateinamerika. Fazit: Eine Währungsabwertung wäre für Riga billiger gewesen. Gegen diese Einwände verwies die Kommission bisher stets auf das solide Wirtschaftswachstum von etwas mehr als fünf Prozent 2011 und die gute Entwicklung der Staatsfinanzen.

Der lettische Haushalt wird derzeit aber erneut auf eine harte Probe gestellt. Ende November musste die Regierung Krajbanka übernehmen. Krajbanka war nach der Pleite der Muttergesellschaft in Litauen abgestürzt. In Folge musste der Staat auch bei Air Baltic, einem Großkunden der Bank, einspringen. Die Ratingagentur Moody's – bisher voller Lob für Lettland – warnt bereits vor einer tiefgreifenden Erschütterung des Kundenvertrauens in das lettische Bankensystem und hohen Kosten der jüngsten Rettungen. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.12.2011)