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Werner Faymann, Kanzler

Foto: Reuters/Bader

Wien - "In wichtigen Fragen: glühend!": So beschreibt Bundeskanzler Werner Faymann sein Verhältnis zu Europa und räumt ein, dabei durchaus "dazugelernt" zu haben - etwa, dass man sich gegen Lohndumping, Arbeitslosigkeit oder die Spekulanten nicht allein, sondern nur "gemeinsam wehren" könne. Also ärgerte sich der SPÖ-Chef in der ORF- Pressestunde nicht nur über den EU-Abweichler Großbritannien ("Ich fühle mich nicht wohl, wenn der Herr Cameron sagt, schon die paar Regulierungen für die Finanzmärkte seien zu viel"), sondern hielt auch ein Plädoyer gegen ein "Sektierertum", das eine Rückkehr zum Schilling verlange: "Austreten und Davonlaufen wäre falsch."

Dementsprechend verteidigte Faymann auch die gegen den Willen der Briten gefassten Beschlüsse vom jüngsten EU-Gipfel. Um sich nicht "in die Fänge der Finanzmärkte" zu begeben, seien die strengeren Haushaltsregeln inklusive Schuldenbremse in der Verfassung notwendig. Der Zeitplan laut Faymann: Im März soll der Sondervertrag vorliegen, damit die 26 teilnehmenden EU-Staaten diesen bis zum Jahresende ratifizieren können. 2013 oder 2014 sollen die Regeln dann in Kraft treten.

"So viel Zeit haben wir aber nicht, wenn wir unsere Souveränität behalten wollen", sagt Faymann und warnt vor EU-Kuratel übers Budget und Bestrafung durch die Finanzmärkte. Der Kanzler will deshalb nicht nur einen weiteren Überredungsversuch starten, um die Opposition von der Schuldenbremse zu überzeugen, sondern auch im Jänner ein erstes Konsolidierungspakt vorlegen. 1,5 Milliarden soll es umfassen, damit der Staat sein Defizit bereits 2012 unter die Drei-Prozent-Marke drückt, statt bei den ursprünglich angepeilten 3,2 Prozent zu landen. Auch Maßnahmen für die folgenden Budgets sollen im Jänner schon mehr oder minder konkret besiegelt werden. Ab 2013 rechnet Faymann mit einem Konsolidierungsbedarf von zwei Milliarden Euro pro Jahr - Finanzministerin Maria Fekter sprach im Standard unlängst sogar von drei Milliarden.

Einen Vorschlag unterbreitete Faymann bereits in der Pressestunde: Die eben eingeführte Vermögenszuwachssteuer soll auch auf Immobilien ausgedehnt werden. Derzeit können Grund, Haus oder Wohnung nach Ablauf einer Spekulationsfrist von zehn Jahren verkauft werden, ohne dass auf den Wertgewinn Steuern anfallen. Selbst wenn man Hauptwohnsitze ausnehme, kalkuliert der Kanzler, könnte so eine Steuer 700 Millionen Euro im Jahr bringen.

Der SPÖ-Chef erntete aus der ÖVP dafür erst einmal die zu erwartenden Absagen: Österreich habe kein einnahmenseitiges, sondern ein ausgabenseitiges Problem, erwiderte Generalsekretär Johannes Rauch: "Es braucht daher strukturelle Maßnahmen statt Marketing-Gags." Doch in einem Kurier-Interview klang Vizekanzler Michael Spindelegger weitaus differenzierter. Im Rahmen eines Gesamtpakets könnten Steuerlücken geschlossen werden, deutete der ÖVP-Obmann an: "Wer mehr hat, muss mehr geben."

Soli-Beitrag fürs Uni-Budget

Ein Entgegenkommen in ÖVP-Richtung deutete Faymann dafür in einer anderen koalitionären Streitfrage an: In die Diskussion um ein Comeback von Studiengebühren komme "Bewegung", wenn das Modell nicht darauf hinauslaufe, dass Kinder aus einfacheren Verhältnisse dann noch schlechtere Chancen auf eine Studienkarriere hätten. Als eine Möglichkeit nannte Faymann das von seinen Kärntner Parteifreunden vorgeschlagene Modell: Universitätsabsolventen, die in der Folge ein gewisses Einkommen erziehlen, sollen über ihr gesamtes Erwerbsleben 20 Euro monatlich abliefern. Bei einer Verdienstgrenze von 3200 Euro brutto brächte dieser Solidarbeitrag rund 100 Millionen pro Jahr fürs Unibudget, rechnet die SPÖ-Kärnten vor. Was der ÖVP ebenfalls gefallen haben könnte: Faymann will den Hauptteil des Defizits "ausgabenseitig" abbauen - und auch bei eigenen Ausgaben sparen. Er gelobte nicht nur, künftig "sehr genau" darauf zu schauen, dass Regierungswerbung einen hohen Informationsgehalt habe, sondern fasste auch einen Neujahrsvorsatz: "Ich werde dafür sorgen, dass wir weniger Geld ausgeben mit den Inseraten." (jo, APA, DER STANDARD; Printausgabe, 12.12.2012)