Der Rekord- Stern VFTS (Pfeil) 102 im Tarantelnebel der Großen Magellanschen Wolke hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich.

Foto: ESO/M.-R. Cioni/VISTA Magellanic Cloud survey/Cambridge Astronomical Survey Unit

Astronomen haben mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO am Paranal-Observatorium in Chile in der Großen Magellanschen Wolke den am schnellsten rotierenden bekannten Stern ausgemacht. Die helle junge Sonne ist besonders massereich und dürfte auf eine abenteuerliche Vergangenheit zurück blicken. Die Forscher nehmen an, dass sie ursprünglich Teil eines Doppelsternsystems war und herausgeschleudert wurde, als ihr Partner als Supernova explodierte.

Das internationale Astronomenteam hat mit dem VLT eine Durchmusterung des Tarantelnebels in der Großen Magellanschen Wolke durchgeführt. Ziel der Suche waren die leuchtkräftigsten und massereichsten Sterne des Nebels. Unter den vielen hellen Kandidaten fiel den Wissenschaftern insbesondere der Stern mit der Bezeichnung VFTS 102 auf: Messungen zeigen, dass er mit einer enormen Geschwindigkeit rotiert - die Äquatorregionen der Oberfläche laufen dabei mit mehr als 2 Millionen Kilometern pro Stunde um das Sternzentrum. Das entspricht mehr als der 300fachen Rotationsgeschwindigkeit unserer Sonne. Der Stern ist demnach kurz davor, durch starke Zentrifugalkräfte zerrissen zu werden.

Schnell unterwegs

Die Astronomen haben zudem herausgefunden, dass sich die Geschwindigkeit des Sterns, der etwa die 25fache Sonnenmasse hat und rund 100.000 mal heller als die Sonne ist, deutlich von den Geschwindigkeit der Sterne in seiner näheren Umgebung unterscheidet.

"Die auffällig hohe Rotationsgeschwindigkeit und die ungewöhnliche Bewegung verglichen mit seiner Umgebung haben uns aufmerken lassen. Wir wurden argwöhnisch und haben uns gefragt, ob der Stern eventuell eine besondere Vorgeschichte hatte", erklärt Philip Dufton von der Queen's University in Belfast (Nordirland), der Erstautor des Fachartikels in den "Astrophysical Journal Letters", indem die Untersuchungsergebnisse präsentiert werden.

Die Geschwindigkeitsdifferenz von VFTS 102 zu seinen Nachbarsternen deutet darauf hin, dass er ein Ausreißer ist, der aus einem Doppelsternsystem herauskatapultiert wurde. Das dürfte geschehen sein, als sein Partnerstern als Supernova explodierte. Diese These wird durch zwei weitere Indizien unterstützt: In der Nähe befinden sich in der Tat ein Supernovaüberrest und ein Pulsar.

Auf diesen Befund gestützt hat das Team eine mögliche Vorgeschichte für den Stern rekonstruiert: Als Mitglied eines Doppelsternsystems, dessen beide Sterne sehr eng umeinander Kreisen, wäre der Stern in einer Situation gewesen, in der sehr schnell Materie von einem Stern zum anderen übertragen werden kann. Durch diesen Massentransfer wäre die Rotation des Sterns schneller und schneller geworden. So ließe sich die extrem hohe Rotationsgeschwindigkeit erklären.

Plausibles Szenario

Nach einer kurzen Lebensdauer von nur 10 Millionen Jahren wäre der massereiche Begleiter dann als Supernova explodiert. Die Reste seiner herausgeschleuderten Gashülle bilden den nahe gelegenen Supernovaüberrest. Die Explosion hätte gleichzeitig auch zum Herausschleudern des Sterns geführt und kann damit seine dritte Besonderheit erklären: die große Abweichung seiner Geschwindigkeit von den Geschwindigkeiten der anderen Sterne in seiner Umgebung. Durch den Kollaps des Partnersterns, der zur Supernovaexplosion geführt hätte, wäre aus dem massereichen Begleiter der beobachtete Pulsar geworden, und damit das letzte Puzzlestück des astronomischen Szenarios.

Die Astronomen können nicht sicher sein, dass sich alles wirklich so abgespielt hat. "Dieses Szenario würde sehr gut zu all den ungewöhnlichen Eigenschaften des Sterns und seiner Umgebung passen. Auf jeden Fall zeigen unsere Beobachtungen uns auch die unerwartete Seite des kurzen, aber dramatischen Lebens der massereichsten Sterne", schließt Dufton. (red)