Den Job gekriegt, weil man gern Lasagne ist? Klingt doch eigenartig. Absage von der Personalabteilung, weil Frau mit Frau zusammenlebt? Ja, das kommt vor.

Foto: Matthias Cremer

"Suchen schwulen Buchhalter mit mehrjähriger Erfahrung" oder "Karrierechancen für lesbische Disponentinnen" - derartige Stellenanzeigen werden Sie - auch bei TNT - nicht finden. Warum also unsere Auseinandersetzung mit dem Thema "sexuelle Orientierung" im beruflichen Kontext?

Können Sie sich vorstellen, dass Sie bei einem Bewerbungsgespräch nach Ihrem Leibgericht gefragt werden und dann den Job nicht bekommen, weil Sie so gerne Lasagne essen? Ist es für Sie denkbar, dass Sie eine Absage von der Personalabteilung bekommen, weil Ihre Haarfarbe braun ist? Glauben Sie, dass man an der Form der Nase gewisse Charaktereigenschaften der Person erkennen kann? Klingt alles ziemlich schwachsinnig, zugegeben.

Können Sie sich vorstellen, dass ein männlicher Bewerber den Job nicht bekommt, weil er mit einem anderen Mann zusammenlebt? Ist es für Sie denkbar, dass eine Bewerberin eine Absage von der Personalabteilung bekommt, weil sie zu ihrem "Lesbischsein" steht? Nein? Die Realität sieht leider trotz Gleichbehandlungsgesetz oft immer noch anders aus. Nach wie vor gibt es nicht sehr viele Unternehmen, die erkannt haben, dass die Lebensgestaltung keine reine Privatsache ist, sondern auch in den Beruf hineinwirkt.

Die Wochenendgestaltung, diverse Firmenveranstaltungen, bei denen auch die Partner eingeladen werden oder auch Pflegeurlaub für den (gleichgeschlechtlichen) Partner sind Themen, die in Unternehmen oftmals nicht bedacht werden oder die Betroffenen ins Verheimlichen ihres Lebenskonzepts drängen. Der Umgang unserer Gesellschaft mit anderer als Heterosexualität ist nach wie vor "verbesserungswürdig".

Kaum vorstellbar, dass in Österreich bis 1971 gleichgeschlechtliche Kontakte noch mit Gefängnis bedroht waren oder dass erst 1991 Homosexualität als Diagnose einer psychischen Störung von der WHO aus der internationalen Klassifikation psychischer Störungen gestrichen wurde.

Die Stereotype, welche die heterosexuelle Mehrheit mit z. B. Schwulen verbinden, sind leider nach wie vor geprägt von Filmen wie "Ein Käfig voller Narren". In einer "stereotypen Welt" sind halt alle schwulen Männer Friseure, Modedesigner, Flugbegleiter oder Balletttänzer. Die lesbischen Frauen erkennt man daran, dass sie Motorradmechanikerinnen oder Baggerfahrerinnen sind.

Ach ja, warum wollten wir lesbisch-schwul ausgezeichnet werden? Bei uns arbeiten Menschen: alte, junge, Männer, Frauen, Österreicher, Nicht-Österreicher, Heteros, Lesben, Schwule, Christen, Moslems, Atheisten u. v. m. Wir wählen sie nach ihren Qualifikationen aus und nicht nach ihren individuellen Merkmalen. Entscheidend ist, welche Fähigkeiten und welches Engagement sie mitbringen. Bei Michelangelo denkt man zuallererst an die Sixtinische Kapelle und nicht an seine Homosexualität. Bei Edith Piaf fallen einem ihre Chansons ein und nicht ihre Liebe zu Frauen. Wir von TNT denken an den Beitrag zum Unternehmenserfolg von Frau Y oder Herrn X und nicht an deren "queere Lebensweise". Und deshalb freuen wir uns über den Meritus 2011 als Auszeichnung dafür. (Erich Neuwirth, DER STANDARD, Printausgabe 10./11.12.2011)