Ein Bild aus längst vergangenen Tagen - der Bawag-Prozess in seiner ersten Auflage.

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Wien - Die offizielle Bestätigung der Staatsanwaltschaft Wien wird es erst Anfang kommender Woche geben, justizintern sind allerdings die Weichen gestellt: Im Frühjahr 2012 wird es in der Bawag-Affäre zu einem zweiten Prozess kommen, nachdem der Oberste Gerichtshof (OGH) vor einem Jahr wesentliche Teile der erstinstanzlichen Urteile wegen Feststellungsmängeln aufgehoben hat. Der entsprechende Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft, der der Genehmigung der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und des Justizministeriums bedurfte, hat nun auch "Grünes Licht" aus dem Ministerium erhalten.

"Der Vorhabensbericht ist von uns weggegangen. Die StA und die OStA werden das Nötige veranlassen", gab Sektionschef Christian Pilnacek am Freitag auf Anfrage bekannt. Den Inhalt werde die Anklagebehörde erst nach der Verständigung der Betroffenen nach außen kommunizieren: "Unser Prinzip ist, dass die Parteien das nicht aus den Medien erfahren sollen."

Da die zuständige Staatsanwältin Sonja Herbst sich derzeit noch im Urlaub befindet, ist davon auszugehen, dass die Anklagebehörde frühestens am Montag, vermutlich erst am Dienstag amtlich verkünden wird, dass der in erster Instanz zu zweieinhalb Jahren Haft - davon zehn Monate unbedingt - verurteilte Spekulant Wolfgang Flöttl jedenfalls wegen des nach desaströsen Verlusten von der Bawag noch erhaltenen "Ophelia"-Betriebesmittelkredits in Höhe von 90 Mio. US-Dollar (65,5 Mio. Euro) noch einmal vor Gericht muss. Insgesamt hatte Flöttl rund 1,7 Mrd. Euro Bankvermögen in den Sand gesetzt.

Dem Vernehmen nach werden auch die ehemaligen Bawag-Vorstände Josef Schwarzecker, Hubert Kreuch und Christian Büttner sowie der Wirtschaftsprüfer Robert Reiter wieder auf der Anklagebank Platz zu nehmen haben, wobei die Anklagebehörde bei ihnen vor allem auf dem Vorwurf der Bilanzfälschung beharren dürfte. Entsprechende Informationen des "Kurier" wurden von der Justiz nicht dementiert. Der OGH hatte die Ersturteile der sogenannten "kleinen" Bawag-Vorstände - bei Kreuch und Schwarzecker lauteten die Strafen immerhin auf je dreieinhalb Jahre unbedingt - zur Gänze aufgehoben.

Elsner und Zwettler weren nicht mehr belangt

Der wegen Untreue zur Höchststrafe von zehn Jahren verurteilte Ex-Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner und sein Nachfolger an der Bawag-Spitze, Johann Zwettler, der fünf Jahre ausgefasst hatte, werden hingegen nicht mehr belangt, da Elsner selbst im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs zu jenen 520 Mio. Euro, zu denen die Ex-Bawag-Richterin und spätere Justizministerin Claudia Bandion-Ortner in ihrem schriftlichen Urteil konkrete Feststellungen vermissen ließ, weshalb der OGH das Elsner-Urteil in jenem Umfang aufhob, keine zusätzliche Strafe erhalten könnte. Bei Zwettler, der ebenso wie Elsner derzeit haftuntauglich ist, soll sich die StA mit dem von der ersten Instanz verhängten Strafausmaß zufriedengeben und von der weiteren Verfolgung des gesundheitlich Angeschlagenen Abstand nehmen.

Fix ist, dass gegen Ex-Bawag-Vorstand und Elsners ehemalige "rechte Hand" Peter Nakowitz sowie Bawag-Ex-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger noch einmal verhandelt werden muss, da der OGH ihre Schuldsprüche teilweise bestätigt und in den anderen, noch klärungsbedürftigen Bereichen eine Neudurchführung des Verfahrens angeordnet hat. In jedem Fall muss das Erstgericht für Nakowitz und Weninger neue Strafen festsetzen.

Das zweite Bawag-Verfahren wird Richter Christian Böhm leiten, der für die Dauer dessen vom Präsidium des Straflandesgerichts wohl "gesperrt" werden wird. Selbst wenn er sich damit um keine neu anfallende Akten zu kümmern haben wird, "sind bei mir zwei, drei größere Verfahren anhängig, die ich vorher noch fertig bringen muss", wie er am Freitag erklärte. Böhm geht davon aus, dass er mindestens drei Monate benötigen wird, um sich in den Bawag-Akt einzulesen: "So viel Zeit hat sich meine Vorgängerin (Claudia Bandion-Ortner, Anm.) vom Zeitpunkt der Rechtskraft der Anklage bis zum Beginn der Hauptverhandlung auch genommen. Und sie hatte mehr Erfahrung als Richterin als ich, auch mit Großverfahren."

Wie lange das zweite Bawag-Verfahren dauern wird, ist schwer einzuschätzen. Das hängt einerseits vom Fahrplan des vorsitzenden Richters, der das Verfahren "aufsplitten" könnte, und nicht zuletzt von den Verteidigern ab. Grundsätzlich wäre es zulässig, wesentliche Verfahrensergebnisse aus dem ersten Verfahren heranzuziehen, indem man sich etwa bei Zeugenaussagen mit der Verlesung ihrer bisherigen Angaben begnügt und diese nicht mehr vernimmt. Ohne Zustimmung der Verteidiger sind derartige verfahrensbeschleunigende Maßnahmen aber nicht möglich. (APA)