Zurück an den Start: Das ist die Botschaft, die Kanzler Werner Faymann vom Gipfel in Brüssel ins heimische Parlament mitnimmt. Die Staats- und Regierungschefs von - laut Letztstand - 26 EU-Staaten verständigten sich auf eine striktere Haushaltspolitik - und damit auf das Ziel, eine Schuldenbremse in den nationalen Verfassungen oder auf vergleichbarer Rechtsebene festzuschreiben.

Genau damit ist die Koalition aber diese Woche gescheitert. Weil die drei Oppositionsparteien die Zustimmung und somit eine Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsregelung verweigerten, landete die Schuldenbremse in einem leichter aushebelbaren einfachen Gesetz. Beim Gipfel kündigte Faymann (SPÖ) deshalb "einen neuen Anlauf" an, um das Verfassungziel doch noch zu erreichen; kommende Woche will er zu den Brüsseler Beschlüssen in einer Sondersitzung des Nationalrates eine Erklärung abgeben. Auch Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) hat vor, "sich mit der Opposition noch einmal hinzusetzen und einen nationalen Schulterschluss zu versuchen".

"Kanzler hat keinen Plan"

Zu Verhandlungen ist die Opposition bereit. Ihre Bedingungen wollen FPÖ und BZÖ allerdings nicht aufgeben, und auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig machte im Gespräch mit dem Standard deutlich, dass sie derzeit nur geringe Chancen auf ein grünes Ja sieht: "Wenn man europaweit nur die Haushaltsregeln verschärft, besteht das gewaltige Risiko, dass wir gleich die Rezession ausrufen können", argumentiert Glawischnig. Überdies teile sie die Kritik des Europäischen Parlaments, das von den Entscheidungen ausgeschlossen worden sei: "Das Ganze ist demokratisch nicht mehr durchhaltbar."

Glawischnig zeigt sich auch über den Kanzler empört: "Vor jedem EU-Gipfel schauen wir im Hauptausschuss einem Kanzler ins Gesicht, der keinen Plan hat. Ich habe es satt." Die Regierung lege keine Dokumente vor, so die Grünen-Chefin, "das Problem ist die totale Intransparenz, es fehlt an einer vernünftigen Gesprächsbasis mit SPÖ und ÖVP".

Sonderklausel oder andere Hintertür nötig

Drohen Strafen, wenn die Regierung die Verfassungsregelung nicht durchbringt? Vorerst haben die Staats- und Regierungschefs nur eine Absichtserklärung abgegeben. Um die Schuldenbremse vorzuschreiben, braucht es einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Teilnehmerländern; in den EU-Vertrag kann der Passus nicht, weil allen voran Großbritannien nicht mitzieht. In dem Abkommen könnten dann Sanktionen fixiert werden, sagt Rechtsexperte Franz Leidenmühler.

Über die Köpfe der Österreicher hinweg geht das freilich nicht, zumal der Nationalrat völkerrechtliche Abkommen ratifizieren muss. Die Koalition müsste also Strafen für das Fehlen einer Verfassungsbestimmung, die sie aus eigener Kraft nicht erreichen kann, beschließen; unrealistisch, heißt es in Regierungskreisen. Der Vertrag bräuchte demnach eine Sonderklausel oder andere Hintertür - oder Österreich wäre nicht dabei.

Der Verfassungsexperte Heinz Mayer stellt ohnehin die Sinnfrage: Wenn die EU-Schuldenbremse konkret genug formuliert werde, sei es in der Sache"völlig egal", ob ein Staat die Regeln noch in die eigene Verfassung übernehme. (Gerald John und Thomas Mayer, DER STANDARD, Printausgabe 10./11.12.2011)