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Großbritanniens Premier Cameron (re.) will nicht auf Sonderrechte verzichten

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David Cameron ist nicht dem Euro, sondern dem Königreich verpflichtet. Solange die EU im "britischen Interesse" sei, bleibe man Mitglied.

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Schwedens Premierminister Fredrik Reinfeldt ist noch skeptisch.

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EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso hat Europa am Donnerstag noch darauf eingeschworen "alles" zu tun. Uneingeschränkt erfolgreich war er mit seinem Appell offenbar nicht.

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EU-Ratspräsident Van Rompuy (re.) und EU-Kommissionspräsident Barroso Freitagfrüh in Brüssel.

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Angela Merkel mit der dänischen Premier- Ministerin Helle Thorning-Schmidt und Werner Faymann.

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Derweil protestieren kostümierte Spanier gegen die EU-Sparpolitik, die sich auch im spanischen Haushalt wiederfinden würde und die nun arbeitslosen Menschen dazu zwinge, ihr Glück woanders zu suchen.

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Brüssel - Der EU-Gipfel ist am Freitag beim Versuch, eine Vertragsänderung für schärfere Haushaltsmaßnahmen zur Rettung des Euro unter allen 27 Staaten zu erzielen, gescheitert. Großbritannien blockiert als einziges Land weiterhin eine Einigung. Der britische Premierminister David Cameron hat sein Nein zu einer EU-Vertragsänderung als "harte, aber gute Entscheidung" gerechtfertigt. "Wenn wir keine Schutzklauseln bekommen, ist es besser draußen zu bleiben", sagte Cameron. Er hatte im Gegenzug Sonderrechte für die Regulierung des heimischen Finanzmarkts gefordert.

In der EU will Cameron aber bleiben, solange das im "britischen Interesse" liegt. Die Niederlande hätten sich bereiterklärt, britische Interessen in der Eurozone wahrzunehmen, sagte der konservative Premier am Ende des Gipfels.

Die Finanzmärkte reagierten zunächst positiv. Der deutsche Aktienindex Dax und der EuroStoxx 50 befanden sich zu Mittag im Plus, der Euro steigerte sich leicht zum US-Dollar, die Tendenz zeigt aber wieder nach unten. Der österreichische Leitindex ATX kam nicht aus dem negativen Bereich heraus (mehr in unseren Marktberichten).

Großbritannien-Nachzieher unwahrscheinlich

Dennoch zeigte sich Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel zufrieden: "Man kann sagen, es ist der Durchbruch zu einer Stabilitätsunion." Entscheidend sei, dass die Ursachen der Krise bekämpft würden - die mangelnde Fiskaldisziplin und zu geringe Wettbewerbsfähigkeit. "Sobald es möglich ist", soll der Fiskalpakt in die EU-Verträge einfügt werden. Dies sei daher "ein weiterer wichtiger Schritt auf einem längeren Weg."

Vor 20 Jahren habe Großbritannien auch noch den Maastricht-Vertrag abgelehnt, erinnerte die Kanzlerin. Merkel wollte auf Nachfrage aber "keine Dynamik und Hinweise" für ein Einlenken der Briten erkennen. Diese haben Angst, dass eine tiefere wirtschaftspolitische Integration ihrem wichtigsten Wirtschaftssektor, dem Finanzwesen, schadet. Das versteht auch Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nicht. Selbst will er die "Schuldenbremse", die Teil der neuen EU-Pläne ist, noch immer in der Verfassung verankern. Das ist zunächst im Nationalrat gescheitert, kommenden Mittwoch gebe es einen neuen Anlauf mit der Opposition

Käme der Verfassungsrang, brächte das Österreich mehr Unabhängigkeit und niedrigere Zinsen am Kapitalmarkt, meinte Faymann. Jedenfalls sei von dem nun angestrebten Fiskalpakt in Österreich keine Volksabstimmung notwendig, solange die Budgethoheit beim Parlament liege.

26 Länder ziehen mit

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat sich nach Ende des Gipfels optimistisch gezeigt. 26 Staats- und Regierungschefs hätten gezeigt, dass "der Euro ein gemeinsames Gut ist, das sie anerkennen". Spätestens im März nächsten Jahres soll der fiskalpolitische Vertrag unterzeichnet sein.

Ungarn und die Tschechische Republik wollen zunächst noch ihre Parlamente konsultieren, haben aber Zustimmung signalisiert. Der EU-Ausschuss im Schwedischen Reichstag gab am Freitag eine Vollmacht für Regierungschef Fredrik Reinfeldt, zu den neuen Regeln "Ja" zu sagen. Allerdings bleibt dieser selbst skeptisch, Schweden habe nun "zumindest Zeit bis zum nächsten Gipfel im März", um die rechtlichen Folgen des getroffenen Abkommens zu prüfen. Reinfeldt sagte auch, für die Entscheidung sei die Unterstützung der schwedischen Opposition notwendig.

Scharfe Kritik von EU-Abgeordneten

Das EU-Parlament macht sich allerdings Sorgen über den internationalen Zusatzvertrag. Wenn er nicht rechtmäßig sei und gegen europäische Verträge verstoße, müsse eine Klage erwogen werden, sagte der Vizefraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda. Der Beschluss nicht mehr zu 27 weiterzumachen, offenbare auch die Schwäche von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy. Dieser hätte sagen müssen, "so geht das nicht", sagte Swoboda.

EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek blieb diplomatisch. Die Rechtsabteilung des EU-Parlaments werde den Fiskalpakt überprüfen. Das sei notwendig, weil der geplante Vertrag nicht innerhalb geltendem EU-Recht abgeschlossen wird. Angesprochen auf das Nein des britischen Premiers Cameron sagte er: "Wir respektieren nationale Souveränität. Großbritannien will nicht den Weg der weiteren wirtschaftlichen Integration mitgehen."

"Keinen Anlass zu Euphorie" sieht auch der Vizepräsident der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament Othmar Karas. Großbritannien habe offenbar die EU erpressen wollen, "statt Verantwortung zu übernehmen", so Karas.

Die Europäische Union sei "wieder einmal auf halbem Wege stehen geblieben", kritisierte der freiheitliche Delegationsleiter im Europäischen Parlament, Andreas Mölzer.

Eurobonds vorerst von Tagesordnung

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso betonte, es werde jedenfalls eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung geben. Über Eurobonds habe man heute keine Einigung erzielt. Van Rompuy, Barroso und Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker werden bis zum nächsten Juni einen Bericht dazu vorlegen. Italiens Ministerpräsident Mario Monti meinte, dass die Arbeit daran weitergehe. Die Republik gilt als einer der größten Befürworter gemeinsamer Staatsanleihen aller Euro-Länder.

200 Milliarden für IWF, sechs davon aus Österreich

Neues gibt es auch beim Hebel des Rettungsschirms EFSF. Ratspräsident Van Rompuy hat Freitagfrüh Mittel von 200 Milliarden Euro an den IWF im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise angekündigt. Dabei sollen nach bisherigen Plänen 150 Milliarden von den Euro-Ländern kommen und 50 Milliarden von den Nicht-Euro-Staaten in der EU. Der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, hat den Beitrag der OeNB an diesen Krediten mit mehr als sechs Milliarden Euro beziffert.

Die Mittel des Euro-Rettungsschirms EFSF könnten dann schnell freigesetzt werden. Der neue Rettungsschirm ESM sollte Mitte Juli bereits in Kraft treten. Was die Privatsektorbeteiligung betrifft, werde man sich an die Praktiken und Prinzipien des IWF halten, so Van Rompuy nach der Nachtsitzung des EU-Gipfels der 27 Staats- und Regierungschefs.

Dergleichen gilt auch bei der Einbeziehung von Banken und Versicherungen bei der Rettung von Krisenländern. Die EU gestand sich nun ein, dass die Privatsektorbeteiligung in der Griechenland-Rettung ein Fehler war. Dieses Verfahren soll nicht mehr für andere Länder angewendet werden, da es zur Verunsicherung der Märkte führte.

Zwischenstaatlicher Vertrag

Zum Beschluss für eine Fiskalunion für striktere Regeln gegen Haushaltsdefizite und eine Erhöhung des Automatismus bei Sanktionen gegen Defizitsünder sagte Rompuy, die teilnehmenden Länder würden einen "zwischenstaatlichen Vertrag" abschließen. Eine volle Vertragsänderung würde sehr lange dauern. Ein zwischenstaatlicher Vertrag könne sehr viel schneller gebilligt und ratifiziert werden. Die Geschwindigkeit sei hier wesentlich.

Laut EU-Parlaments-Chef Buzek ist der geplante Vertrag mit dem Schengen-Abkommen vergleichbar, das später auch in EU-Recht umgewandelt wurde, und nicht etwas "unglaublich Neues".

Lob und Geld von Draghi

Der europäische Rettungsfonds soll künftig von der Europäischen Zentralbank (EZB) verwaltet werden. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sagte, auf Vorschlag von EZB-Präsident Mario Draghi werde die Zentralbank den bisherigen Rettungsfonds EFSF und den künftigen dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM führen. "Das ist ein weiteres Element, das dafür sorgt, das Vertrauen in die Fonds zu stärken", sagte Sarkozy.

Derweil lobte EZB-Präsident Mario Draghi die Vereinbarung. "Das ist ein sehr gutes Ergebnis für die Eurozone. Das kommt einem guten Haushaltspakt sehr nahe." Der Italiener hatte einen solchen verbindlichen Pakt als Vorbedingung für ein Eingreifen der EZB auf den Märkten gemacht, beispielsweise beim Anleihenkauf.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag für die Banken übrigens die Geld-Schleusen geöffnet. Die Institute können sich billig wie nie zuvor mit Zentralbankgeld eindecken. Der österreichische EZB-Rat Nowotny sprach am Freitag von 104 Milliarden Euro, die solcherart an Liquidität für die Banken bereitgestellt werden könnten. Davon rund 3,1 Milliarden Euro in Österreich. (sos/APA/derStandard.at)