Die Siegerin der Miss Polonia-wahl 2011 darf bei der Miss Polska-Wahl 2012 antreten.

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Der souveräne Catwalk-Auftritt

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Die aktuelle Miss Polonia in Deutschland

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Polnisches Bier für polnische Gäste.

Foto: Eva Zelechowski

Miss Polonia 2010 hat eine kräftige Stimme.

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Die Choreographie der Teilnehmerinnen lief fast immer nahezu synchron ab.

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Nervosität vor der nächsten Runde.

Foto: Eva Zelechowski

Die Jury ist sichtlich fasziniert.

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Die Miss Publikum hat die Herzen der Gäste erobert.

Foto: Eva Zelechowski

Die traditionelle Krönung durch die Vorjahresgewinnerin.

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Am Ende eines amüsanten Abends bleiben nur noch Erinnerungen und ein gutes Bier.

Foto: derStandard.at/Eva Zelechowski

Kamila. Alter: achtzehn. Augenfarbe: blau. "Ihr großes Vorbild ist ihre Oma, die sie gelehrt hat, gut von böse zu unterscheiden. Sie ist stolz darauf, Polin zu sein und wird es immer bleiben", schallt es aus dem Mikrofon des Moderators bei der Ankündigung der ersten Kandidatin. Am Ende sind es zehn junge Frauen, die sich auf High Heels und mit Nummerntäfelchen am Handgelenk auf dem Laufsteg präsentierten, um den Titel des Abends - Miss Polonia 2011 - mit nachhause zu nehmen. Zum dritten Mal fand am vergangenen Samstag die Wahl zur schönsten Polin Österreichs statt. Zahlreiche Mitglieder der polnischen Community haben sich im Hotel am Wiener Gürtel eingefunden, mit dem Designer Adam Saaks holte man sich für die Jury sogar Verstärkung aus Hollywood.

Zwischen Żywiec und Fuchsstola

An der Kassa tummeln sich viele Gäste: hochhackige Stiefel, kurze Röcke, enge Tops und viel Lippenstift. Die Männer allesamt im Anzug. Zwei "Men in Black" zieren den Eingang ins Foyer, wo Schmuck und Fitness-Geräte der Sponsoren aufgestellt sind. Vorwiegend so genannte "Slimcenter", Esoterik- und Kosmetikstudios. Beauty unterstützt Beauty, sozusagen. Die Bar wurde neben regionalen Weinen exklusiv für das Event auch mit polnischen Bieren ausgestattet, das ein halbes Dutzend Kellner auf Tabletts emsig an die Tische trägt. Etwa 340 Gäste strömen in den Veranstaltungssaal, der mit dunkelrotem Teppich ausgelegt ist.

Eine junge Dame mit Krönchen auf dem Haupt sitzt einsam an einem der hinteren Tische. Auf ihrer Schärpe steht mit großen Lettern "Miss Polonia Deutschland 2011". Die frischgebackene Miss trägt ihren Titel erst eine Woche. "Gewonnen habe ich einen zweiwöchigen Hotel-Aufenthalt in Krynica Morska an der Ostsee, eine Fuchsstola und ein Gemälde." Das Anmeldeformular habe nicht sie selbst, sondern die Mutter eingeschickt, "und aus Spaß habe ich dann mitgemacht". Eine Karriere als Model sei nicht geplant, aber wer weiß, was noch kommt.

Plötzlich ertönt eine helle Stimme im Saal: "Przetańczyć całą noc" (Die ganze Nacht durchtanzen). Die Jurorin im rubinroten Prinzessinnenkleid und Haut so weiß wie Schnee hat sich ihrer Krone und Vorjahres-Schärpe "Miss Polonia in Österreich 2010" entledigt und einen fulminanten Operettenartigen Auftritt hingelegt. Anschließend übernimmt das Moderatoren-Duo wieder die Bühne. Die Co-Moderatorin war Vize-Miss im vergangenen Jahr. "Ich habe mich gemeinsam mit meiner Schwester für den Contest angemeldet. Es war ein Spaß, wir wollten einfach neue Erfahrungen machen und sehen, wie so etwas abläuft", erzählt die 22-Jährige.

Größter Traum...

Währenddessen findet auf der Bühne die zweite Vorstellungsrunde statt. Hochprofessionell laufen die jungen Frauen den Catwalk entlang, manche werfen keck dem Publikum einen Handkuss zu, manche sind schüchtern mit ernster Miene. Nach den Worten "Paulinas größter Traum ist..." wird der Satz abrupt beendet. Das Mikro fällt für einige Minuten aus. Die Gäste sehen es gelassen, lachen und nutzen die Gelegenheit, um zu plaudern und von ihrem Getränk zu nippen. Kollegen vom TV-Sender Austria 9 sind ebenfalls vor Ort und rätseln, welche technischen Schwierigkeiten wohl für die Unterbrechung sorgen.

Einige Kandidatinnen scheinen ganze Fangemeinden mitgebracht zu haben, bei zwei Nummern wird besonders laut gejohlt, sie hatten bereits im Internet-Voting die Nase vorne.

Im Gänsemarsch verschwinden die Frauen hinter dem Vorhang und flitzen in die Garderobe. Kurz vor dem nächsten Auftritt gehen sie die Choreographie der Schritte noch einmal durch. "Du gehst als erste und ich bin direkt hinter dir. Mein Gott, bin ich nervös, ich hätte die Nudeln nicht essen sollen", sagt eine der Schönheiten. In der Garderobe ein wildes Durcheinander von Lippenstiften und Abendkleidern, leeren Kaffeetassen und Mineralwasserflaschen.

Synchron und bockig

Auch diesen Auftritt samt Runde am Laufsteg absolvieren die zehn jungen Frauen erfolgreich ohne Patzer und Pannen. Dann geht's ans Sprechen. Wieder werden die potenziellen Missen einzeln vorgestellt, aber nun sollen sie selbst zu Wort kommen. Frau strahlt um die Wette, die Hand liegt synchron an der rechten Hüfte, die Nummerntafel dezent am Handgelenk. Die Fragen bewegen sich in den Bereichen Hobbies, Traumberuf und -mann.

"Ich möchte Polizistin werden, das ist mein größter Wunsch", sagt die Maturantin mit der Nummer eins. Trotz der daraufhin ertönenden Buhrufe lächelt die 18-jährige Anjelika. Kamila singt wieder ein Loblied auf die liebe Oma, die "ein herzensguter Mensch" sei. Paulina ist von Russland fasziniert. "Ich mag alles an diesem Land, die Kultur, die Städte, bald möchte ich es selbst bereisen", schwärmt sie. Begonnen hat ihre Leidenschaft mit der Entdeckung Dostojewskis. Auch die nächste Kandidatin, Kinga, ist von Polens Nachbarland fasziniert. Das Märchen Anastasia hat sie verzaubert.

Wünsche und Pläne

Was wünscht sich die nächste Kandidatin vom Weihnachtsmann? Weiße Weihnacht wird genannt, an das Klischee vom Weltfrieden glaubt hier anscheinend niemand mehr. Welche Zukunftspläne möchten sie sich erfüllen? Die Antworten sind unterschiedlich wie die Farben der Kleider der jungen Frauen. Eine Firma als Innenarchitektin oder als Weddingplannerin, in Barcelona leben oder als Ärztin in einem Kinderspital arbeiten, weil "ich Kinder liebe und ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubern möchte".

Der Traumpartner soll "mit einem einzigen Kuss schaffen, dass ich die glücklichste Frau der Welt bin", gibt Nummer sieben hoffnungsvoll an. Bei der nächsten Teilnehmerin muss er "intelligent, vernünftig, aber auch gutaussehend und liebevoll" sein.

"We are living in a material world"

Danach betritt eine Erscheinung in Silber die Bühne und gibt Madonnas "Material Girl" zum Besten. Passend. Im Anschluss gibt es noch einige Nummern, die vom Beat und Text an alte 90-er-Jahre "weißt du noch damals im Ostsee-Urlaub" - Disco-Schlager erinnern. "Für alle Frauen, die so schön sind wie Seide", ertönt es aus dem Mikrofon. Ein Mann im schwarzen Anzug setzt - etwas steif tanzend, aber im Rhythmus - zu populären Schlagern aus der Heimat an.

Als die Wettbewerberinnen nach vier endlosen Liedern wieder auftauchen, werden sie mit tosendem Applaus willkommen geheißen. Es ist die Bademoden-Runde. Das choreographisch wenig anspruchsvolle Programm wird zum Popsong "All the single ladies" halbwegs synchron absolviert. Im Badeanzug, der viel Raum für Kritik und wenig Möglichkeit zur Verhüllung gibt, heißt es dann auf und ab laufen. Auf den Gesichtern der Frauen ist keine Verunsicherung zu erspähen, weiter wird um die Wette gelächelt.

Bewertung

Auf den Gesichtern der männlichen Jurymitglieder, wo zuvor Spannung durch Langeweile abgelöst wurde, ist nun freudiges Interesse zu erkennen. Zweifellos hat keiner der Männer Probleme damit, eine Frau aus einer Gruppe von zehn herauszupicken, und sie nach seinen persönlichen Schönheitsidealen zur Nummer eins zu wählen. Die andere Hälfte der Jury ist von Frauen besetzt. Wer bewertet hier die Ausstrahlung der zehn Grazien? Unter anderem eine Hautärztin mit so genanntem Medical Beauty Center, zwei ehemalige Missen und eine Besitzerin einer polnischen Videotheken-Kette in Wien. Die Bikini-Runde ist zu Ende. Abgang.

Auf den Tischen liegt vor jedem Gast ein Zettel zum Ankreuzen. Die Miss Publiczności aka Miss Publikum soll ebenfalls gekürt werden, genauso wie die Miss Foto. Über letztere entscheiden die anwesenden Fotografen, die die fotogenste Teilnehmerin auswählen sollen.

Eine Männerwelt

Eine halbe Stunde Wartezeit, in der sich die zehnköpfige Jury zurückzieht, um über eine repräsentative Gewinnerin zu entscheiden. Nach Schlagern, aus dem Französischen ins Polnische übersetzten Chansons und internationalen Popschnulzen sollen die Gäste nun mit James Brown bei Laune gehalten werden. Nach dreieinhalb Stunden vermag das wohl nicht einmal das Song-Repertoire der verstorbenen Funk-Legende.

Nach weiteren 45 Minuten ist es dann doch soweit. Die Nervosität der Anwärterinnen vor der bevorstehenden Krönung steigt und ist den jungen Frauen nun deutlich ins Gesicht geschrieben.

Der Moderator gibt sie schließlich bekannt: Es ist die 25-jährige und damit älteste Teilnehmerin Paulina mit der Nummer drei. Sie bekommt einen Flug von Warschau nach Wien und retour, einen Hotelaufenthalt und neben diversen Kosmetika das wichtigste: Die Berechtigung zur Teilnahme an der Wahl zur Miss Polska 2012. Einzig ihr Alter - das wird üblicherweise zwischen 18 bis 24 streng geregelt - könnte zum Problem werden.

Die Teilnehmerin mit der Nummerntafel 7 hat alle restlichen Titel abgesahnt: Camila ist Vize Miss Polonia 2011, Miss Foto und hat als Miss Publikum auch den Großteil der über 300 Gäste für sich gewinnen können. Den Titel Miss Internet bekommt Natalia und Kinga wird zweite Vize Miss. Gleichzeitig betrachten die titellosen Sechs sichtlich enttäuscht und manche auch neidisch die Schärpen und Krönchen der Siegerinnen. Ob der Blick in andere grantige Gesichter oder das Trostpreis-Packerl aus Baseball-Käppi und Kosmetik-Sets genug Trost bringen, ist unklar. (Eva Zelechowski, daStandard.at, 07. Dezember 2011)