Visionäres Zweigestirn
"Sie haben die Seele eines Architekten", urteilte Le Corbusier (1887-1965) über die Tableaus des zu Dokumentationszwecken angeheuerten Fotografen Lucien Hervé. Mittels seiner Bilder gelang es Hervé auf einzigartige Weise, die Fotogenität der avantgardistischen Architektur zum Vorschein zu bringen. Seine konsequent schwarz-weißen Aufnahmen stilisieren und reduzieren die Motive, spielen mit natürlichem Licht, Schlagschatten und Umrissen und zeigen perspektivische Verkürzungen und expressive Blickwinkel, die klassische Ordnungen ins Wanken bringen. Gerade der Verzicht auf traditionelle räumliche Bezugssysteme war eines der Fundamente eines der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Über ihren dokumentarischen Reichtum hinaus zeugen die erstmals in dieser Form in Kontakte präsentierten Tableaus von der intensiven Zusammenarbeit zweier Visionäre. Kulturgeschichte mit dem Prädikat wertvoll!

Le Corbusier & Lucien Hervé: "Kontakte". € 68 / 296 Seiten. SchirmerMosel-Verlag, München 2011

Foto:Verlag

Eine Frage des Stils
Gewisse Möbelstücke und Accessoires sind global betrachtet offensichtlich unverzichtbar. Dazu gehören der Lounge-Chair von Eames, Fortunys Fotolampe, Marc Newsons Dreigestirn einer Lichtinstallation sowie Eileen Grays Beistelltisch. Der Buchtitel "Interiors Now!" ist ein programmatisches Manifest: Er enthält das Versprechen, zeitgenössische und zeitgemäße Einrichtung zu präsentieren, und impliziert die Frage, was heute Stil ist. Die Antwort könnte lauten: Eklektizismus mit Understatement. Traditionelles in Symbiose mit Modernem und Persönlichem. Was cool, chic und trendy ist, illustrieren Refugien von kreativen Persönlichkeiten aller Sparten. Statements der globalen Trendsetter - unter ihnen Matteo Thun, Carine Roitfeld, Marc Newson, Todd Oldham, die Cavallis und viele mehr - runden die fantastischen Bildbände ab.

Angelika & Laszlo Taschen "Interiors Now!, Vol. 1 & 2". Je € 29,90 / 416 Seiten. Taschen-Verlag, Köln 2011

Foto:Verlag

Indien zum Blättern
Im Zuge intensiver Auseinandersetzung gestresster Menschen mit fernöstlicher Philosophie und Weisheit nehmen auch Einflüsse auf Lifestyle, Wohnraum- und Gartengestaltung zu. Der britische Fotograf Henry Wilson dokumentierte seine persönliche Liebe zum exotisch-kontemplativ-indischen Stil mit opulenten, sinnlichen Motiven abseits kitschiger Ethnotrends à la Bollywood. Punjabi-Barock als Amalgam aus Extrakten des Vergangenen.

Henry Wilson: "Indien Style". € 29,90 / 192 Seiten. Christian-Brandstätter-Verlag, Wien 2011

Foto:Verlag

Schön Passiv
Barbara Sternthal und Fotograf Harald Eisenberger besuchten die schönsten Passivhäuser zwischen Neusiedler und Bodensee, die unter dem Aspekt nachhaltiger Energieeffizienz geplant und errichtet wurden. Das reicht von in den Hang gebauten Almhütten über solarzellenbetriebene Einfamilienhäuser nebst Biotop bis zum Boutiquehotel in Wien. Gemein ist allen die Symbiose von Individualismus bei gleichzeitiger integrativer Wirkung in bestehende Ortsbilder. Eisenbergers gewohnt stimmige, sinnlich-sensible wie detailverliebte fotografische Ästhetik passt perfekt zu Sternthals objektiven Analysen und subjektiven Erfahrungsberichten der Bewohner. Landläufig hält sich das Vorurteil, dass sich das Erbauen energiesparender Passivhäuser zwar positiv auf die Umwelt, aber negativ auf das persönliche Gemütlichkeitsbefinden der Bewohner auswirkt, Gegenteiliges beweisen die schönsten Passivhäuser als richtungsweisende Zukunftsperspektive.

Barbara Sternthal, Harald Eisenberger: "Die schönsten Passivhäuser". € 39,90 / 192 S. CBV, Wien 2011

Foto:Verlag

Immer das Meer
Als "magische Formel" beschreibt der für renommierte Magazine wie Architectural Digest, Connaissance des Arts, Beaux Arts tätige Fotograf Massimo Listri die Aura von Meer und Sonne. In all seinen Büchern "Häuser zum Verlieben", "Häuser in Asien", "Häuser am Meer" zeigt er gelungene Symbiosen, die auch moderne Wohnideen mit den tradierten Landeskulturen vereinen. Globales Weltkulturerbe in Terrakotta, Türkis oder Azur als poetisches Vexierbild des Meeres.

Massimo Listri: "Häuser am Meer / in Asien / zum Verlieben". Je € 36,- / 472 S. CBV, Wien 2011

Foto:Verlag

Von allem etwas
Als "Oscar der Designwelt" bezeichnet die Sunday Times die alljährliche Ehrung in Andrew Martins "Interior Design Review". Im Sinne der Modernisierung ehrt das traditionell dem Kolonialstil huldigende, im hippen wie mondänen Londoner South Kensington ansässige Möbelhaus seit Jahren internationale Designer aus aller Herren Länder für innovative Vielfalt: von Landhaus-, Kolonialstil und Ethnolook, historischer Chinoiserie, japanischer Reduktion auf das Wesentliche bis zu Glanz, Glamour und Opulenz des chinesischen Neo-Barock. Die ehrwürdige britische Times apostrophiert Andrew Martins Design Review sogar als "Bibel der Innenausstattung". So gesehen ist Volume 15 das neueste Testament.

"Andrew Martins Interior Design Review, Vol. 15". € 49,90 / 496 S. Verlag teNeues, Kempen 2011

Foto:Verlag

Zeit der Dinge
Es ist ganz logisch, dass ausgerechnet ein Brite von der exzentrischen Idee beseelt war, die Geschichte der Welt in 100 Objekten erklären zu wollen. Neil Mac Gregor, Direktor des British Museum erwählte für sein Projekt "Dinge, die Menschen erschaffen haben, Objekte, die mit großer Sorgfalt hergestellt und dann entweder bewundert, und bewahrt oder benutzt, beschädigt und weggeworfen wurden". Eine virtuose Reise zu prähistorischem Werkzeug, ägyptischen Papyri und Mumien, viktorianischen Teeservicen, spanischen Dublonen, schiitischen Prozessionsstandarten, hebräischen Astrolabien, indischen Säulen bis hin zur Kreditkarte; Mysterien unseres alltäglichen Universums. Explizite Warnung: Dieses Buch besitzt intellektuelles Suchtpotenzial.

Neil MacGregor: "Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten". € 40 / 816 S. C.-H.-Beck-Verlag, 2011

(Der Standard/Rondo/09/12/2011)

Foto:Verlag