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Sicherheitsleute am Ort des Attentats in Kabul.

Foto: Reuters

Die Anschläge ereigneten sich in der Hauptstadt Kabul sowie in Mazar-i-Sharif.

Grafik: Stepmap/derStandard.at

Kabul - Pakistanische Extremisten haben am heutigen Dienstag ein verheerendes Blutbad in der afghanischen Hauptstadt Kabul angerichtet. Bei einem Anschlag während des schiitischen Ashura-Fests wurden 60 Menschen getötet. Die Selbstmordattentäter sprengten sich nahe des Präsidentenpalastes in die Luft. Zum Anschlag bekannte sich die Organisation Lashkar e-Jhangvi al-Alami, die bereits Dutzende Anschläge auf Schiiten in Pakistan verübt haben soll. Fast zeitgleich starben im nordafghanischen Mazar-i-Sharif vier Menschen bei einem Anschlag nahe einer schiitischen Moschee. Die Taliban verurteilten die Tat.

Der afghanische Präsident Hamid Karzai sagte nach einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Berlin, erstmals in der jüngeren Geschichte seines Landes sei an einem wichtigen religiösen Feiertag eine solche Gewalttat verübt worden. Merkel sprach Karzai ihr Beileid aus und sicherte ihm weitere Hilfe zu. Die Vereinten Nationen verurteilten die Tat. Der Kommandant der Internationalen Schutztruppe ISAF, US-General John Allen, nannte die Attacke an einem der heiligsten Tage im islamischen Kalender einen Angriff auf den Islam.

Taliban verurteilen Tat

Die Hintergründe waren unklar. Angriffe gegen die schiitische Minderheit sind in Afghanistan anders als im Nachbarland Pakistan oder im Irak äußerst selten. Die afghanischen Behörden vermuten sunnitische Extremisten hinter den Taten. Die Taliban rekrutieren sich vorwiegend aus sunnitischen Muslimen. Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid nannte die Anschläge aber unmenschlich und unislamisch. Der schiitische Geistliche Seyed Taqdusi sagte: "Schiiten und Sunniten leben in Afghanistan friedlich zusammen." Er sah die Drahtzieher des Kabuler Anschlags in Pakistan.

Der Angriff galt dem Abu-Fasl-Schrein in der Altstadt, wo sich Hunderte Schiiten während des Ashura-Festes versammelt hatten - nur rund 500 Meter vom Präsidentenpalast entfernt. Ein Augenzeuge berichtete: "Rund um den Schrein lagen überall Körperteile, auch Kinder waren unter den Toten."

Mit dem Ashura-Fest gedenken schiitische Muslime ihres Märtyrers Hussein, eines Enkels des Propheten Mohammed. Hussein starb 680 in einer Schlacht bei Kerbala (heute Irak). Er steht für die Schiiten für die Verfolgung in einer ihrem Glauben feindlich gesinnten Welt. Jeder Fünfte der knapp 30 Millionen Afghanen gehört zu den Schiiten.

Anschlag auch in Mazar-i-Sharif

Kurz nach dem Anschlag in Kabul explodierte im Zentrum von Mazar-i-Sharif eine weitere Bombe. Der an einem Fahrrad befestigte Sprengsatz war nach Polizeiangaben in der Nähe einer schiitischen Moschee im Stadtzentrum detoniert. Auch in Mazar-i-Sharif hatten Schiiten Ashura gefeiert.

Karzai sagt London-Besuch ab

Der afghanische Präsident Hamid Karzai änderte nach den schweren Anschlägen seine Reisepläne und will offenbar frühzeitig nach Afghanistan zurückfliegen. Karzai habe seinen für Mittwoch geplanten Besuch in London abgesagt, teilte die Downing Street am Dienstagabend mit. Er habe sich eigentlich zu Gesprächen mit dem britischen Premierminister David Cameron treffen wollen. Der britische Sender BBC berichtete, er kehre stattdessen früher als vorgesehen nach Afghanistan zurück. Karzai hatte sich für die Bonner Afghanistan-Konferenz in Europa aufgehalten und war am heutigen Dienstag in Berlin mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zusammengetroffen.

Merkel sagte: "Wir müssen weiter hart arbeiten, um die Sicherheit in Afghanistan gewährleisten zu können." Sie betonte, es könne nur eine politische Lösung geben. Dazu gehört für die Kanzlerin ein Versöhnungsprozess mit gemäßigten Taliban. Merkel versicherte: "Deutschland fühlt sich für das Schicksal Afghanistans verantwortlich." Deutschland sei verpflichtet, Afghanistan für ein weiteres Jahrzehnt zu helfen, wenn die Nato-Kampftruppen 2014 das Land verlassen.

Merkel und Karzai vereinbarten, die anschließende Zusammenarbeit in einem Partnerschaftsabkommen zu regeln. Schwerpunkte sollen das Training der afghanischen Sicherheitskräfte, Berufsausbildung und die Erschließung der Rohstoffe des Landes sein. Die Kanzlerin sagte: "Deutschland fühlt sich für das Schicksal Afghanistans verantwortlich." Am Vortag hatte die Weltgemeinschaft in Bonn über die Zukunft Afghanistans nach dem NATO-Abzug Ende 2014 beraten - über weitere Milliardenhilfen und eine Aussöhnung mit den Taliban. (APA)